Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Olivia Cole
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Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#1

Beitrag von Olivia Cole »

Theoriefrage: Was wäre, wenn die Geschäfte während des laufenden BWZ deutlich schlechter laufen als erwartet und in der vEKS prognostiziert und die Aufstockung daher nicht reicht? Hätte man die Möglichkeit, auch im laufenden BWZ noch etwas zu machen, d.h. einen Antrag einzureichen? Oder ist man fix an die 6 Monate gebunden und müsste sich im Notfall von privat Geld leihen?
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Koelsch
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#2

Beitrag von Koelsch »

Einreichen kannst Du immer, notfalls auch einen Eilantrag. Ob's was nützt? :ka:
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
StefanBerlin
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#3

Beitrag von StefanBerlin »

Also im vorliegenden Fall hat mein Geschäftspartner, dem monatlich aufgrund willkürlicher Kürzung ziemlich exakt 10% des Regelsatzes vorenthalten werden, die prognostizierten Kosten nachgewiesen (welche sogar die Prognose deutlich überschritten haben) und gebeten, das entsprechend zu berücksichtigen und einen neuen Bewilligungsbescheid auf Basis der tatsächlich angefallenen Kosten zu erstellen.

Passiert ist nichts.
Das Jobcenter fasste die Veränderung als Widerspruch auf und schickte prompt einen "Ihr Widerspruch ist eingegangen und wird von uns bearbeitet" Brief als Antwort. Seitdem: Nichts!
Dazwischen war dann der unsägliche Termin beim Sachbearbeiter, der nur mit den Schultern zuckte und sich verbal als "nicht verantwortlich" sieht, obwohl ER die Kürzungen aufgrund der vEKS-Manipulation überhaupt erst veranlasste. Das sei "eine interne Anweisung, das mache man bei ALLEN Selbständigen so. Demnach sei man kein Einzelfall."

Als ich dann deutlich machte, dass dies ein klarer Rechtsbruch ist, war ihm das ebenfalls egal. Das würde mit der abschließenden EKS dann berücksichtigt werden. Dass es da bereits sogar höchstinstanzliche Urteile gibt, war ihm auch egal.

Bedeutet:
6 Monate Bedarfsunterdeckung willkürlich und rechtsbrechend durch das Jobcenter herbeigeführt.
-> Die Konsequenzen trägt der "Kunde"
-> Das Geld, das willkürlich entzogen wird, führt zur Bedarfsunterdeckung, was ein Weiterarbeiten schwierig macht, das Konto ins Minus zieht und zu Verzugszinsen führt, die der "Kunde" nicht zu verantworten hat. Allerdings muss er dafür aufkommen

Wann gibts das willkürlich vorenthaltene Geld?
Nunja. Nach 6 Monaten Bewilligungsabschnitt (demnächst: 1 Jahr) hat man 2 Monate Zeit, die aEKS zu bearbeiten, was man realistisch gesehen auch braucht. Dann hat die Behörde 6 Monate Zeit, diese zu bearbeiten. Die letzten EKSen meines Geschäftspartners wurden jedoch vor 1,5 Jahren bearbeitet. Er hat zwar alle fristgerecht eingereicht, bearbeitet werden sie jedoch nicht. Man könnte nach 6 Monaten Untätigkeitsklage einreichen, dann wird die Behörde gezwungen, einen Bescheid zu erstellen.

Aber ob der Bescheid dann richtig ist? Falls ja, dann bekommt der Betroffene nach ca. 15 Monaten die ihm willkürlich und rechtsbrecherisch (es gibt Urteile darüber von höheren Instanzen) vorenthaltenen Leistungen. Also mit über einem Jahr Verspätung. Ich betone noch einmal: Es handelt sich dabei um GRUNDSICHERUNG, die im BEDARFSmonat zur Verfügung stehen hat und nicht erst 15 Monate später. Ich kann nicht 15 Monate lang hungern und dann einfach in 15 Monaten das essen, was mir die 15 Monate davor gefehlt hat.

Oder der wahrscheinlichere Fall:
Die Behörde erstellt (ebenfalls willkürlich) einen fehlerhaften Bescheid. Angriffsfläche bekommt sie durch die aEKS frei Haus geliefert, man muss nur willkürlich darin herumschmieren und Kosten streichen, die man für "nicht notwendig" erachtet. Das geht ja alles nach persönlichem Wellnessgefühl des jeweiligen Sachbearbeiters.
Falls dem so ist, muss man auch erst einmal in den Widerspruch gehen, weitere 6 Monate verstreichen. Dann Untätigkeitsklage und die erwartete Ablehnung in Form als "unbegründet". Dann Klage... und ab dem Zeitpunkt kann es 2 oder 3 Jahre dauern.
Im Ernstfall bekommt man dann nach ca. 4-5 Jahren dann die GRUNDSICHERUNG, die zuvor willkürlich gekürzt wurde.

Und DAS nennt man dann bei uns Rechtsstaat... Betonung wohl eher auf "rechts".
Einigkeit (bei) Unrecht Unfreiheit, für das deutsche Vaterland!
Wehdorn
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“Antrag auf Aktualisierung“ - § 48 SGB X

#4

Beitrag von Wehdorn »

Voraussetzung die Unterdeckung ist nicht unerheblich (100;-- Euro mtl. ?) kommen wir hier zurecht mit einem “Antrag auf Aktualisierung“. Der ist zu verstehen als Antrag auf Aufhebung und Neubescheidung entsprechend § 48 SGB X : “ ... wesentliche Änderung“. SGB II-Leistungsbescheide sind als VA mit Dauerwirkung anzusehen. Kurze Frist setzen, ggf. mit dem SG winken (sofern keine Ersparnisse vorhanden sind).
mikelogan
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#5

Beitrag von mikelogan »

§ 48 SGB X - genau das!
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kleinchaos
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#6

Beitrag von kleinchaos »

Bei 10% Kürzung sieht das SG keinen Eilbedarf. Leider. Dass sich das im Laufe des BWZ aber summiert, dass aEKS eben oft nicht innerhalb von 6 Monaten bearbeitet werden und dann auch oft falsch sind, das wird allgemein gern ignoriert.

Und dann haben SB ja noch die Dreistigkeit zu sagen (schriftlich bekommt man sowas ja nie), dass die Kürzung ja nur zu deinem Besten sei, im Fall einer Überzahlung brauchst du dann nicht mehr ganz so viel zurückzuzahlen.
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
Olivia Cole
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#7

Beitrag von Olivia Cole »

Okay, also 10% weniger vom Regelsatz reichen nicht, bei ca. 25% bis 30% weniger werden sie dann aktiv (was ungefähr 100 € monatlich entspricht).
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Koelsch
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#8

Beitrag von Koelsch »

Bei 20-30% sollten sie aktive werden beim SG. Aber wenn man "Glück" hat und an einen "weisen" Richter beim LSG NRW gerät, dann sagt der:
Wieso, da haben Sie soch laufende Betriebseinnahmen, also ist doch Geld satt vorhanden, keine Eilbedürftigkeit
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Olivia Cole
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#9

Beitrag von Olivia Cole »

Koelsch hat geschrieben:Bei 20-30% sollten sie aktive werden beim SG. Aber wenn man "Glück" hat und an einen "weisen" Richter beim LSG NRW gerät, dann sagt der:
Wieso, da haben Sie soch laufende Betriebseinnahmen, also ist doch Geld satt vorhanden, keine Eilbedürftigkeit
Wie bitte? Ich höre ja wohl nicht recht. Betriebliche Einnahmen werden für den Betrieb gebraucht, das sind keine privaten Einnahmen! Deswegen trenne ich genauestens den privaten und den betrieblichen Bereich. Wenn mir da jemand reinpfuschen würde, käme die ganze Balance ausser Kontrolle. Laufende Betriebseinnahmen sind doch in keinster Weise Gewinne, die man mal so eben auf das Privatkonto umleiten könnte. Ich bin absolut fassungslos, dass ein Richter am LSG sich zu so einem Unsinn versteigen kann. Diesem Richter würde ich als "Heilbehandlung" den Richtersold streichen und ihn zwingen, mal ein halbes Jahr auf dem gleichen Level zu leben wie ein selbständiger Aufstocker. Ohne Dispo. Aber mit Dispositionsliste für Dutzende von Ausgabenpositionen. Und ohne die Möglichkeit, nach Belieben Darlehen aufnehmen zu können.

Die Argumentation ist genauso dämlich wie die Behauptung "Umsatz = Gewinn". Ich fasse es einfach nicht! :kotz: :kotz: :kotz:
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Koelsch
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#10

Beitrag von Koelsch »

Da kann ich Dir nicht widersprechen. :heul:
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia Cole
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#11

Beitrag von Olivia Cole »

Beim Thema unberechtigte Kostenkürzungen, falsche Argumentationen und Benachteiligung von selbständigen Aufstocker/innen selbst vor Gericht und erst recht am Landessozialgericht und dann noch dem dramatischen Aspekt der Unterdeckung des Existenzminimums muss ich sogleich mitweinen. :heul: Kann denn nicht irgendwann mal Ruhe sein? Irgendwann mal Gerechtigkeit herrschen? Die Jobcenter und manche Richter am Sozialgericht produzieren ein Meer aus Tränen. :heul: :heul: :heul:
Wehdorn
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der Griff in die Kasse

#12

Beitrag von Wehdorn »

@ koelsch:

„ ... laufende Betriebseinnahmen, also ist doch Geld satt vorhanden ...“

Da gab es auch schon mal Selbständige, die dem Gericht so erklärt haben, wie sie die Unterdeckung überbrückt haben: der Griff in die Kasse, und der Kontokorrent.

Dass es dann keine Kohle vom Gericht gibt ist klar.
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Koelsch
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Re: der Griff in die Kasse

#13

Beitrag von Koelsch »

Wehdorn hat geschrieben:@ koelsch:

„ ... laufende Betriebseinnahmen, also ist doch Geld satt vorhanden ...“

Da gab es auch schon mal Selbständige, die dem Gericht so erklärt haben, wie sie die Unterdeckung überbrückt haben: der Griff in die Kasse, und der Kontokorrent.

Dass es dann keine Kohle vom Gericht gibt ist klar.
Das seh ich anders, der "Griff in die Kasse" führte hier zu Räumungsklage für die unbedingt erforderlichen Betriebsräume, was dem LSG bekannt war, Verlust der Betriebsräume mit den dann unausweichlichen Konsequenzen. Also hat der Leistungsbezieher jetzt einen Haufen Mietschulden plus gegnerische Anwaltskosten plus Gerichtskosten an der Backe, eidesstattliche Versicherung musste inzwischen abgegeben werden und das (u.a.) weil ein LSG Richter der Meinung ist, die "Umwidmung" von Betriebseinnahmen die für notwendige Betriebsausgaben erforderlich sind in "Lebensmittel" um das Körpergewicht nicht zu stark gegen Null tendieren zu lassen, ist dem Selbstständigen zuzumuten und reicht aus, um Eilbedürftigkeit zu verneinen. Man ging sogar noch weiter und erklärte sehr massiv, der EA Antrag sei zurück zu nehmen, anderenfalls werde der Richter eine Missbrauchsgebühr verhängen.
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Wehdorn
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jetzt sicher mit Hartz IV

#14

Beitrag von Wehdorn »

In dem von mir angedeuteten Fall hat nicht der Richter/die Richterin den "Griff in die Kasse ", sprich Belastung des Kontokorrents und der Lieferantenkredite, für den Ausweg aus der Not gehalten, sondern die Kollegens haben es selbst getan. Damit besteht für unbedarfte und verständnisunwillge Richter_innen keine Notlage mehr.

Mangelndes Verständnis fürs reale Leben ist von Richter_innen bekannt und muss beim Verhalten und bei der Argumentation berücksichtigt werden.

In dem Falle kam es nicht zu einer Räumungsklage sondern zu einer baldigen Insolvenz, weil der Laden hoch verschuldet war, natürlich, und die Mittel fürs Leben fehlten. Jetzt ist der Azubi weg, die Teilzeitkräfte erwerbslos, die Inhaber auch, jetzt aber sicher mit Hartz IV.
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Koelsch
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Re: Wenn die Aufstockung während des BWZ nicht reicht

#15

Beitrag von Koelsch »

:jojo: das ist dann oft genug die Konsequenz.
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Re: der Griff in die Kasse

#16

Beitrag von Olivia Cole »

Koelsch hat geschrieben:man ging sogar noch weiter und erklärte sehr massiv, der EA Antrag sei zurück zu nehmen, anderenfalls werde der Richter eine Missbrauchsgebühr verhängen
Wie war der Richter denn bitte drauf? Das ist ja unglaublich...
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