SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

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Olivia Cole
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SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#1

Beitrag von Olivia Cole »

Meiner Meinung nach ein Urteil, das Betroffene teuer zu stehen kommt. Denn eine Klage am VG kostet grundsätzlich Gerichtsgebühren, und man braucht wohl eher einen Anwalt als am SG. Wie sieht es mit der BerH und der PKH aus? Wird die genauso einfach/schwer erteilt wie für ein SG-Verfahren? Gibt es Anwälte, die Verwaltungsrecht und Sozialrecht gemeinsam machen? Dann müsste man ja einen weiteren Anwalt hinzuziehen.
Bei einem (theoretischen) Verlassen des Leistungsbezuges türmt sich dann ein immer grösserer Berg an Gerichtskosten und Anwaltsgebühren auf, und das jahrelang unter den Einkommens- und Vermögensgrenzen für die Rückzahlung solcher Schulden.
So sei ungeklärt, was für den Fall gelte, dass neben dem Leistungsträger nach dem SGB II sich noch eine weitere Behörde im Gebäude befindet, die ggf. - und sei es nur mittelbar - durch das Hausverbot eines Behördenleiters eines JobCenters oder einer Optionskommune - betroffen würde.
Das ist meiner Meinung nach nicht möglich. Ein Hausverbot eines Jobcenters kann doch wohl nur für die eigene Behörde gelten und nicht für eine andere. Im Zweifelsfall müsste eben das (Behörden-)Ziel des jeweiligen Besuchs (am Eingang) abgefragt werden.
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Koelsch
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#2

Beitrag von Koelsch »

Als ich am Aktenzeichen sah 11. Kammer, da wunderte es mich nicht (und tigerlaw mit Sicherheit auch nicht), dass der Richter einem BSG Urteil nicht folgt. Wir durften ihn im September 2014 "erleben", als tigerlaw in einer Verhandlung darauf hinwies, dass die zu verhandelnde Rechtsfrage (Aufrechnung von Mietkaution) beim BSG anhängig sei und daher Ruhendstellung des Verfahrens sinnvoll sei. Der Richter meinte dann, nöö, das käme nicht in Frage, denn sollte das BSG dann die Frage in Zukunft anders entscheiden als er, dann hätte das BSG eben ein Fehlurteil gefällt.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia Cole
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#3

Beitrag von Olivia Cole »

Und da dachte ich bisher immer, dass sich untere Richter der obergerichtlichen Rechtsprechung unterordnen (müssen). Bei der Nicht-Ruhendstellung des Mietkautions-Verfahrens hoffe ich für den Betroffenen, dass ihm daraus keine Nachteile erwachsen.
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Koelsch
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#4

Beitrag von Koelsch »

Das siehst Du falsch, es gibt keine Unterordnung unter höher instanzliche Urteile und das ist sogar gut. Sonst hätten wir Stillstand und dann könnte eben z.B. ein BSG Urteil nicht mehr korrigiert werden, weil ja alle anderen Gerichte genauso urteilen müssten wie das BSG.

Nachteile bei der Mietkaution - natürlich sehe ich das als Nachteil, wenn der Kläger jetzt jeden Monat 10% vom Regelsatz abgezogen bekommt, um die Mietkaution abzudecken. Darum ging's ja in der Klage.

Ich hatte praktisch zeitgleich eine gleiche Sache vorm SG Köln, da wurde ein Vergleich geschlossen: Derzeit keine Aufrechnung, wenn dann das BSG entschieden hat, unterwerfen sich die Parteien diesem Urteil.
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#5

Beitrag von Olivia Cole »

Besteht denn bei der Aufrechnung noch die Möglichkeit, dass bei entsprechendem BSG-Urteil noch eine Rückzahlung erfolgt?
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Koelsch
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#6

Beitrag von Koelsch »

Im Normalfall nein. Wenn der Bescheid bestandskräftig war, dann gibt's nix zurück. Auch ein Ü-Antrag würde daran vermutlich nix ändern, da Urteile üblicherweise ex nunc gelten und nicht ex tunc
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#7

Beitrag von Olivia Cole »

Dann gilt also möglicherweise unterschiedliches Recht für vergleichbare Fälle. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln.
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Koelsch
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#8

Beitrag von Koelsch »

Nicht möglicherweise, das ist normal.
Aber es gilt nicht unterschiedliches Recht, sondern es gelten unterschiedliche Interpretationen des Rechts.

Auch das ist normal, unser Recht lebt nun mal durch die sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffe. Nimm allein mal im Bereich des SGB II die schönen, viel zitierten Begriffe:

Angemessen und zumutbar - da ist es doch sonnenklar, wenn Du zwei Leute fragst, was hältst Du für angemessen oder für zumutbar, dann erhältst Du mindestens zwei unterschiedliche Interpretationen.
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#9

Beitrag von Olivia Cole »

Stimmt auch wieder. Nur bei der Kautionsrückzahlung über Aufrechnung beim Regelsatz würde ich gleiches Recht für alle schon fair finden.
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kleinchaos
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#10

Beitrag von kleinchaos »

Die Kaution wird nicht per Aufrechnung zurückgezahlt. Die Kaution wird als Darlehen gewährt und als solche auch zurückgezahlt.
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#11

Beitrag von Olivia Cole »

:verlegen:
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kleinchaos
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#12

Beitrag von kleinchaos »

Der Unterschied ist der, dass bei Aufrechnung alle Mitglieder der BG betroffen sind. Beim Darlehen nur der Darlehensnehmer.
Wenn also Familie Glaubnix umzieht, Frau Glaubnix das Kautionsdarlehen beantragt und und unterschreibt, dann darf auch nur Frau Glaubnixens Regelbedarf zur Rückzahlung des Darlehens herangezogen werden
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#13

Beitrag von Koelsch »

:jojo: :jojo:
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Re: SG AC - S 11 AS521/15 ER - Hausverbot zum VG

#14

Beitrag von Koelsch »

Zum Thema Mietkaution kurz:

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 25. Juni 2015 im Weißenstein-Saal über fünf Revisionen aus dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden

10:30 Uhr - B 14 AS 28/14 R - M. B. ./. Jobcenter Köln

Umstritten ist eine Aufrechnung wegen eines Mietkautionsdarlehens. Der Kläger bezieht seit dem 1.12.2009 Alg II vom beklagten Jobcenter. Dieses bewilligte ihm außerdem ein Darlehen iHv 540 Euro, für die von ihm zu leistende Mietkaution für seine Wohnung. In einem weite­ren Bescheid verfügte der Beklagten die Rückzahlung dieses Darlehens und stundete diese aufgrund der Einkommenssituation des Klägers. Mit Schreiben vom 15.3.2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, wegen des Rückzahlungsanspruchs werde ab 1.4.2012 eine Rate iHv 37,40 Euro monatlich von seinen Leistungen "abgehalten".

Das nach erfolglosem Widerspruchsverfahren angerufene SG hat die Klage unter Hinweis auf die in § 42a SGB II vorgesehene Aufrechnungsmöglichkeit abgewie­sen. Das LSG hat das Urteil "geändert" und die Bescheide aufgehoben. Die Anwendung des § 42a SGB II auf vor seinem Inkrafttreten gewährte Darlehen beinhalte eine unzulässige unechte Rückwirkung und verletze das schutzwürdige Vertrauen des Klägers.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 42a SGB II. Das LSG habe ange­sichts der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/3404 S 115) und des Fehlens einer Übergangsregelung die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung überschritten.

SG Köln - S 6 AS 4936/12 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 6 AS 1154/13 -
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tigerlaw
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#15

Beitrag von tigerlaw »

Olivia Cole hat geschrieben:Meiner Meinung nach ein Urteil, das Betroffene teuer zu stehen kommt. Denn eine Klage am VG kostet grundsätzlich Gerichtsgebühren, und man braucht wohl eher einen Anwalt als am SG. Wie sieht es mit der BerH und der PKH aus? Wird die genauso einfach/schwer erteilt wie für ein SG-Verfahren? Gibt es Anwälte, die Verwaltungsrecht und Sozialrecht gemeinsam machen? Dann müsste man ja einen weiteren Anwalt hinzuziehen.
Bei einem (theoretischen) Verlassen des Leistungsbezuges türmt sich dann ein immer grösserer Berg an Gerichtskosten und Anwaltsgebühren auf, und das jahrelang unter den Einkommens- und Vermögensgrenzen für die Rückzahlung solcher Schulden.
So sei ungeklärt, was für den Fall gelte, dass neben dem Leistungsträger nach dem SGB II sich noch eine weitere Behörde im Gebäude befindet, die ggf. - und sei es nur mittelbar - durch das Hausverbot eines Behördenleiters eines JobCenters oder einer Optionskommune - betroffen würde.
Das ist meiner Meinung nach nicht möglich. Ein Hausverbot eines Jobcenters kann doch wohl nur für die eigene Behörde gelten und nicht für eine andere. Im Zweifelsfall müsste eben das (Behörden-)Ziel des jeweiligen Besuchs (am Eingang) abgefragt werden.
Nicht unbedingt: Wenn man die Voraussetzungen für PKH erfüllt, erhält man sie auch für Verfahren beim VG. Und PKH umfasst immer die Gerichtskosten und die Kosten des eigenen Anwalts. Dass beim SG die Vefahren, an denen ein "Verbraucher" beteiligt ist, kostenfrei sind, ändert daran nichts.

Und anders als Koelsch kann ich die Begründung sogar nachvollziehen.
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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