Erbschaft bei InsO

Hilfe bei der Antragstellung und dem ALG II Bescheid
Antworten
Benutzeravatar
tigerlaw
Benutzer
Beiträge: 8233
Registriert: Mi 2. Feb 2011, 14:41
Wohnort: Bei Aachen/NRW

Erbschaft bei InsO

#1

Beitrag von tigerlaw »

Nicole hat geschrieben:Das ist spannend. Ich gehe davon aus in den nächsten Jahren zu erben. Das wird nicht wenig sein. Ca. 25tsd pro Enkel, andere Nachkommen gibt es nicht. Ich bin aber seit 2.7. in der PI und bis März, April sicherlich auch im Alg2 Bezug. Ich vermute mal das ich das Geld direkt an den TH weiterleiten muss/müsste. Macht es da nicht Sinn, sich enterben zu lassen? Gedroht damit haben die Großeltern eh schon mehrfach.... Bleibt dann mehr für meine Geschwister?
kleinchaos hat geschrieben:Enterben, dazu musst du erbunwürdig sein. Erbunwürdig bist du, wenn du die Erblasser betrogen, bestohlen hast, ihnen nach Leib und Leben trachtest usw. Ansonsten steht dir der Pflichtteil zu, in Höhe von 50% des gesetzlichen Erbteils
@kc: So eindeutig kann man das aber nicht sagen. Vielmehr ist es so:

Grundsätzlich kann jeder testieren, wie er will, er muss es nicht an die Kinder oder anderen Nachkommen weiterleiten, er könnte es auch an den WWF oder die Kriegsgräberfürsorge oder die Kirche vollständig vererben.

Soweit von der abstrakten "gesetzlichen Erbfolge" abgewichen wird, werden die entsprechenden Personen natürlich enterbt. Das ist ganz normal möglich.

Genau so gibt es Familien, wo es "liebe" Kinder gibt neben "bösen". Und wenn die Eltern nur den "lieben" Kindern etwas letztwillig zukommen lassen, dann haben das die "bösen" Kinder vorerst zu schlucken. Sie können natürlich versuchen, das Testament anzufechten, dann würde wieder die gesetzliche Erbfolge eintreten.

Aber - und insoweit liegt kc wieder richtig - Abkömmlinge bzw., wenn solche nicht leben, dann die Vorfahren haben ein Pflichtteilsrecht, das die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Und dieses Pflichtteilsrecht kann tatsächlich nur unter engen Voraussetzungen entzogen werden.

Um im Beispiel von oben zu bleiben, und etwas vereinfacht: Eine Frau, inzwischen verwitwet, habe drei kinder, davon ein "böses" und zwei "liebe". Im Testament setzt sie die beiden lieben Kinder zu je 1/2 als Erben ein --> Böses Kind ist enterbt.

Böses Kind hat aber Pflichtteilsanspruch. Den realisiert es, indem es von den beiden Geschwistern eine Auskunft über den Bestand des Nachlasses und den Wert einfordert. Und von dem Wert verlangt es Zahlung von 1/6 (=die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils).

Und jetzt zu Nicole: Wenn sie das Erbe ausschlagen sollte, schlägt sie damit auch den Pflichtteilsanspruch aus, ihre Geschwister (und ggf. Vettern/Cousinen) erben etwas mehr, es tritt "Anwachsung" ein.

Diese Ausschlagung darf ihr auch nicht im Insolvenzverfahren entgegengehalten werden, sie erhält trotzdem die Restschuldbefreiung.

Aber - Erwerbe von Todes wegen brauchen nur zur Hälfte an die Gläubiger ausgekehrt zu werden, die andere Hälfte dürfte sie behalten.

Nur weiß ich nicht, wie das JC das sieht: Nach "Gefühl und Wellenschlag" dürfte es den vollen Erbschaftszufluss anrechnen nach dem Grundsatz, dass mit H-4 keine Schulden bezahlt werden sollen. Die Abführung von 50 % an den Treuhänder ist "Privatsache" des H-4-Empfängers.

Man könnte natürlich daran denken, "zielgerichtet auszuschlagen" und anderweitig Kompensation zu erlangen, aber ... :angst: :unschuld:
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Nicole
Benutzer
Beiträge: 99
Registriert: Mi 28. Nov 2012, 10:20

Re: Erbschaft bei InsO

#2

Beitrag von Nicole »

Das wird ja doch komplizierter als angenommen. Wenn ich ausschlage würden zwei von drei Geschwistern mir hintenrum wieder zur Seite stehen, das weiß ich. Beim Großen bin ich mir nicht sicher. 7 Jahre werden die beiden wohl kaum noch leben. Gestern rief Oma an und erklärte das sie im Lotto nochmal über 20tsd. gewonnen hat. Geld zu Geld, so ist es ja.
Benutzeravatar
Günter
Moderator
Beiträge: 44061
Registriert: So 5. Okt 2008, 12:58
Wohnort: Berliner in Potsdam

Re: Erbschaft bei InsO

#3

Beitrag von Günter »

Du warst einst Mitglied eines sozialen Beratungsnetzwerkes. Ich vermute, deine Kontakte sind noch intakt. Da existiert mit Sicherheit auch ein sachkundiger Rechtsberater, der dir kompetente Auskunft über die Machbarkeit meines Vorschlags geben kann.

Per Testament wird festgelegt, dein Erbanteil geht auf ein Treuhandkonto. Der Treuhänder (das muss kein teurer Notar sein, ich denke das kann auch ein kostenloser Angehöriger sein) überweist dir regelmäßig monatlich einen Betrag jeweils von 10 € unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Eventuell ist auch noch möglich dass der Treuhänder deinen Mietvertrag übernimmt, die Miete zahlt und dir die Wohnung kostenlos zur Verfügung stellt, könnte sein dass es ein "geldwerter Vorteil" ist und dann hast du die Grenze überschritten, lass dich beraten. Ein derartiges Konstrukt sollte deine Probleme während der Inso lösen, also kann man die Treuhandschaft auf die Zeit bis 1 Jahr mach der Restschuldbefreiung befristen.

Aber mach es nicht ohne vorhergehende Rechtsberatung. Falls du keine Kontakte mehr hast, hol dir einen Beratungsschein vom AG und such dir einen Erbspezialisten.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
Benutzeravatar
tigerlaw
Benutzer
Beiträge: 8233
Registriert: Mi 2. Feb 2011, 14:41
Wohnort: Bei Aachen/NRW

Re: Erbschaft bei InsO

#4

Beitrag von tigerlaw »

Vorsicht, das könnte in die Nähe eines Umgehungsgeschäfts (vgl. § 134 BGB) geraten:

b) Umgehungsgeschäfte.

Randnummer 19Erfüllt ein Geschäft zwar nicht den objektiven Tatbestand eines Verbotsgesetzes, zielt es aber nach seinem Inhalt und Zweck im Ergebnis auf denselben Erfolg wie ein (ausdrücklich) verbotenes Geschäft, liegt ein Umgehungsgeschäft vor.
>
Text1

Randnummer 19.1Umgehungsgeschäfte sind zB Verträge, durch die das Erfordernis einer Konzession oder Erlaubnis - zB zum Betrieb einer Gastwirtschaft - umgangen werden soll, oder Anstellungsverträge zwischen Erlaubnisinhaber (Strohmann) und „Arbeitnehmer“; der in Wahrheit wirtschaftlicher Inhaber des Geschäfts sein soll (OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 687). Ein Umgehungsgeschäft ist auch ein Gesellschaftsvertrag mit einem ausländischem Arbeitnehmer, um das Erfordernis seiner Arbeitserlaubnis zu umgehen (Palandt/Ellenberger Rn 29 mwN), oder auch ein Gesellschaftsvertrag mit einem Handwerksmeister (Strohmann), um eine Eintragung in die Handwerksrolle zu erreichen (OLG Koblenz NJW-RR 1994, 493).

Randnummer 20Das Verbot der Vornahme von Umgehungsgeschäften ist zum Teil ausdrücklich gesetzlich geregelt (vgl zB §§ 306a, 312g, 487, 511, 655e), aber auch in den Fällen, in denen eine solche ausdrückliche Bestimmung fehlt (vgl zB § 20 Abs 1 RDG), kann die Umgehung eines Verbotsgesetzes durch anderweitige - auf den ersten Blick scheinbar nicht unter den Tatbestand des Verbotsgesetzes fallende - Gestaltung des Rechtsgeschäfts einen Verbotsverstoß iSd Vorschrift darstellen (Palandt/Ellenberger Rn 28), wenn der Zweck der Verbotsnorm durch die anderweitige Gestaltung vereitelt werden soll (BGHZ 85, 39, 46 = NJW 1983, 109, 110). Allerdings führt nicht jeder Verbotsverstoß zur Nichtigkeit des Geschäfts. Das ist nur dann der Fall, wenn sich aus dem Verbotsgesetz nicht „ein anderes“ ergibt. Häufig sehen die Verbotsgesetze andere Sanktionen als die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäfts vor (vgl zB §§ 312g, 487, 511, 655e). Fehlt eine solche ausdrückliche Regelung, ist durch Gesetzesauslegung zu ermitteln, ob nicht aus dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm eine andere Sanktion als die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäfts folgt.
>
Text1

Randnummer 20.1Unabhängig von den in der Praxis bedeutungslosen (So zu Recht auch Palandt/Ellenberger Rn 28) Unterschieden der in diesem Zusammenhang vertretenen dogmatischen Ansätze (Vgl etwa nur Staudinger/Sack/Seibl Rn 144 ff) ist hierbei nach zumindest insoweit hM (Vgl nur Palandt/Ellenberger Rn 28) maßgeblich darauf abzustellen, ob das Verbotsgesetz nur die Vornahme von Geschäften einer bestimmten Art, nicht aber einen bestimmten rechtlichen oder wirtschaftlichen Erfolg verhindern soll. Ist das der Fall, ist das denselben Erfolg auf andere Weise herbeiführende Geschäft grds unbedenklich (wirksam) (Palandt/Ellenberger Rn 28). Ein zur Nichtigkeit des Umgehungsgeschäfts führender Verbotsverstoß iSd Vorschrift liegt damit (nur) dann vor, wenn Sinn und Zweck der Verbotsnorm auf die Vermeidung des mit ihm bezweckten rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist (BGHZ 85, 39, 46 = NJW 1983, 109, 110; Palandt/Ellenberger Rn 28).
Aus: Beck'scher Onlinekommentar, Rn 19 ff zu § 134 BGB
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Benutzeravatar
Günter
Moderator
Beiträge: 44061
Registriert: So 5. Okt 2008, 12:58
Wohnort: Berliner in Potsdam

Re: Erbschaft bei InsO

#5

Beitrag von Günter »

Deswegen mein Hinweis auf Beratung durch einen Juristen.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
Benutzeravatar
Günter
Moderator
Beiträge: 44061
Registriert: So 5. Okt 2008, 12:58
Wohnort: Berliner in Potsdam

Re: Erbschaft bei InsO

#6

Beitrag von Günter »

Muss noch mal nachhaken, was du genau mit Umgehungsgeschäft meinst. Die Miete, oder das Konstrukt mit dem Treuhänder.

Der Erblasser kann mit seinem letzten Willen doch festlegen was er möchte. Der hat keinerlei Rücksicht auf Gläubiger des Erben zu nehmen. Wenn es sein Wille ist, dass sein Erbe bei der Enkelin in voller Höhe ankommt, dann kann er das so verfügen. Er könnte doch auch verfügen, dass das Geld fest angelegt wird und erst nach Ablauf der Inso-Laufzeit plus einen Tag mit Verzinsung an den Erben gezahlt wird. Der letzte Wille des Erblassers ist zu berücksichtigen und nicht der Wunsch der Gläubiger ihre Gelder zurück zu erhalten.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
Benutzeravatar
Koelsch
Administrator
Beiträge: 89400
Registriert: Fr 3. Okt 2008, 20:26

Re: Erbschaft bei InsO

#7

Beitrag von Koelsch »

Ich vermute, das ist richtig. Wenn der Erblasser das entsprechend verfügt, kann Gläubiger nix machen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Benutzeravatar
tigerlaw
Benutzer
Beiträge: 8233
Registriert: Mi 2. Feb 2011, 14:41
Wohnort: Bei Aachen/NRW

Re: Erbschaft bei InsO

#8

Beitrag von tigerlaw »

Ich hatte auch eher an "Dreh-Geschäfte unter Lebenden" gedacht!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Nicole
Benutzer
Beiträge: 99
Registriert: Mi 28. Nov 2012, 10:20

Re: Erbschaft bei InsO

#9

Beitrag von Nicole »

Das mit dem Anlegen gefällt mir am besten, mal gucken ob Oma das noch versteht. Schwierig, beginnende Demenz, lange wird Opa das nicht alleine schaffen. Vielleicht verbrauchen sie auch einfach all ihr Geld für die Pflege, auch das kann schnell passieren.
Benutzeravatar
Koelsch
Administrator
Beiträge: 89400
Registriert: Fr 3. Okt 2008, 20:26

Re: Erbschaft bei InsO

#10

Beitrag von Koelsch »

Das ist leider wahr, Pflege ist sehr teuer.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Brille
Beiträge: 1
Registriert: Di 8. Mär 2011, 21:34

Re: Erbschaft bei InsO

#11

Beitrag von Brille »

Das mit dem Anlegen gefällt mir am besten, mal gucken ob Oma das noch versteht. Schwierig, beginnende Demenz, lange wird Opa das nicht alleine schaffen. Vielleicht verbrauchen sie auch einfach all ihr Geld für die Pflege, auch das kann schnell passieren.

Bei dieser Variante könnte der Inso - Verwalter ( wenn er denn Kentniss von der Erbschaft hat ) versuchen über eine Nachtragsverteilung an das Geld zu kommen.
Benutzeravatar
tigerlaw
Benutzer
Beiträge: 8233
Registriert: Mi 2. Feb 2011, 14:41
Wohnort: Bei Aachen/NRW

Re: Erbschaft bei InsO

#12

Beitrag von tigerlaw »

tigerlaw hat geschrieben: (...)
Aber - Erwerbe von Todes wegen brauchen nur zur Hälfte an die Gläubiger ausgekehrt zu werden, die andere Hälfte dürfte sie behalten.

Nur weiß ich nicht, wie das JC das sieht: Nach "Gefühl und Wellenschlag" dürfte es den vollen Erbschaftszufluss anrechnen nach dem Grundsatz, dass mit H-4 keine Schulden bezahlt werden sollen. Die Abführung von 50 % an den Treuhänder ist "Privatsache" des H-4-Empfängers.

(...)
Ich muss den Faden noch einmal aktivieren: Soeben habe ich ein ganz wichtiges Urteil gelesen. Den "Leitsatz" dazu formuliere ich wie folgt:
Einem Bezieher von Arbeitslosengeld II, der sich in der "Wohlverhaltensphase" im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens befindet, kann der Zufluss von Einkommen aus Erbnachlässen nur insoweit als "bereite Mittel" angerechnet werden, wie er sie nicht - entsprechend § 295 I Nr. 2 InsO - an den Treuhänder abgeführt hat.
Bundessozialgericht, B 14 AS 73/12 R, Urteil vom 12.06.2013


Was Nicole jetzt mit dem Zufluss anstellen wird, ist Ihre Sache. Und die Gedanken von Günter sind auch nicht ganz von der Hand zu weisen, nämlich "interessante Testamentsgestaltungen" niederzulegen.

Ggf. mag Nicole mich wegen genauerer Details per PN kontaktieren.
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Antworten

Zurück zu „Grundsicherung nach SGB II - ALG II/Hartz IV (demnächst wohl: Bürgergeld)“