KdU bei Wohn- / Haushaltsgemeinschaft L 32 B 2223/08 AS ER

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kleinchaos
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KdU bei Wohn- / Haushaltsgemeinschaft L 32 B 2223/08 AS ER

#1

Beitrag von kleinchaos »

Tenor: Mitglieder einer WG oder Haushaltsgemeinschaft sind bei den KdU einer alleinlebenden Person gleichzustellen.

L 32 B 2223/08 AS ER Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2008 wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für den Monat Dezember 2008 insgesamt 704,91 EUR Arbeitslosengeld II (Regelsatz 351,- EUR sowie 353,91 EUR Kosten der Unterkunft) zu leisten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragsstellerin die ihr entstandenen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

Zum Sachverhalt und zur Darstellung der Rechtslage verweist der Senat zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts (SG).

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte allerdings nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats; siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz stellt nämlich insbesondere dann besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist.

Hier besteht nach der alleine möglichen summarischen Prüfung jedoch bereits ein Anordnungsanspruch. Es spricht viel dafür, dass der Antragstellerin die geltend gemachten Kosten für Unterkunft zustehen:

Bilden mehrere Personen eine Haushaltsgemeinschaft oder eine Wohngemeinschaft, ohne eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) zu sein, bemessen sich die angemessenen Unterkunftskosten, auf deren Höhe die Behörde die Leistungen beschränken darf und muss im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1, 3 SGB II, nach den Kosten, die entstehen würden, wenn der Leistungsempfänger alleine wohnen würde: Zur Frage, welche Kosten angemessen i. S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, hat der Senat bereits wiederholt in Eilverfahren Stellung genommen (vgl. z.B. Beschluss vom 4. April 2008 - L 32 B 458/08 AS ER -). Diese sind nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 (ABl. 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; u.a. Urteil vom 7. November 2006 (- B 7 b AS 10/06 R -, RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus. Da es bei § 22 Abs. 1 SGB II um die hypothetisch angemessene Wohnung geht, auf die der Leistungsempfänger verwiesen wird, kommt es beim Zusammenleben mit einer Person, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört, darauf an, ob dem Leistungsempfänger zugemutet werden kann, sich gemeinsam mit der anderen Person eine billigere Wohnung zu suchen (a. A. Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. September 2005 - L 10 B 429/05 AS ER -: maßgeblich nur das jetzige Zusammenwohnen). Nicht relevant ist dagegen aus Sicht des Senats und entgegen der Auffassung des SG § 9 Abs. 5 SGB II. Bei dieser Vorschrift handelt es sich nur um eine gesetzliche Vermutung zum Leistungsbezug unter Haushaltsangehörigen. Eine Obliegenheit zum auch künftigen Zusammenleben - etwa um sich gegenseitig leichter Sachleistungen zu ermöglichen- kann hieraus nicht abgeleitet werden. Solange - wie hier beim Zusammenleben Tochter und Mutter- keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II als gesetzlich vermuteter Einstandsgemeinschaft (als Paar im engeren Sinne) besteht, ist dies regelmäßig nicht der Fall (ebenso: -für Wohngemeinschaft-: SG Kassel, Beschluss vom 19.03.2008 - S 7 AS 211/08 ER -; die Ausführungen des Bundessozialgericht [BSG] im Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11 b AS 37/06 R- Rdnr. 25 f beziehen sich auf die Angemessenheit der Wohnfläche im Hinblick auf § 9 SGB II - Hausverkauf zumutbar -). Umgekehrt wäre nämlich ein Umzug alleine aufgrund des Wunsches der Antragstellerin, künftig alleine leben zu wollen, erforderlich nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Ein Umzug ist nämlich allgemein erforderlich, wenn der Wunsch nach einer eigenen Wohnung ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund darstellt, der auch einen Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (vgl. Beschluss des Senats vom 30. November 2007 - L 32 B 1912/07 AS ER -).

Im Übrigen ist die Differenz zwischen den tatsächlichen Wohnkosten der Antragstellerin und ihrer Mutter hier und den Kosten einer angemessenen Wohnung für einen Zweipersonenhaushalt sehr gering, so dass auch insoweit kein Anlass besteht, im Eilverfahren von der Notwendigkeit eines Umzuges zur Kostensenkung auszugehen. Auch bei einem Zweipersonenhaushalt müsste nämlich der Antragsgegner 340,48 EUR pro Monat nach der überschlägigen Rechnung, wie sie im Eilverfahren alleine möglich und geboten ist, an Unterkunftskosten zahlen:

Bei der anzustellenden Einzelfallprüfung ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. In Berlin erscheint für eine aus zwei Person bestehende Bedarfsgemeinschaft (bzw. hier jetzt zu Grunde zu legen: Haushaltsgemeinschaft) eine Zwei- bis Dreizimmerwohnung (vgl. Ziff. 8 Abs. 1 der zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WobindG) i.V.m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) für Wohnberechtigungsscheine erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 [Mitteilung Nr. 8/2004]) mit einer Größe bis zu 65 m² (Zweizimmerwohnung) bzw. 80 m² (Dreizimmerwohnung) als abstrakt angemessen (Abschnitt II Ziff. 1 Buchstabe a der Anlage 1 der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin) = Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16. Juli 1990 [ABl 1990, 1379 ff] i. d. F. der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 [ABl 1993, 98 f]). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Letztlich kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und dem diesem Standard entsprechenden m²-Preis, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie). Dabei ist der räumliche Vergleichsmaßstab für den Mietwohnungsstandard so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 10. Juli 2007 - Az. L 32 B 823/07 AS ER -). Da es um eine hypothetisch angemessene Wohnung geht, auf die der Leistungsempfänger verwiesen wird, steht dem Senat zu seiner Überzeugung ein besseres Ermittlungsmittel als die Anwendung eines gemäß §§ 558c und 558d Bürgerliches Gesetzbuch qualifizierten Mietspiegels nicht zur Verfügung, da selbst ein Sachverständiger nur eine schätzweise Prognose erstellen könnte. Zur Bestimmung der angemessenen Miete stützt sich der Senat hier konkret auf den Mietspiegel des Landes Berlin vom 11. Juli 2007 (ABl. 1797). Diesem liegt als Stichtag für die Miethöhe der 1. Oktober 2006 zugrunde (vgl. Berliner Mietspiegel 2007, Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel Endbericht, S. 1 sowie S. 6 ff. zur Grundgesamtheit).

Bei einer Absenkung der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung von den tatsächlichen auf die angemessenen Kosten ist aus Sicht des Senates dabei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahrsklassen für Wohnungen mit Bad und WC zugrundezulegen. Zumutbar erscheint nämlich zwar einerseits abstrakt-generell jede Wohnung mit üblichem Standard, unabhängig vom Baujahr. Als angemessen kann andererseits nur die Miete derjenigen Wohnungen herangezogen werden, für welche der konkrete Antragsteller wirklich einen Mietvertrag abschließen könnte. Es muss tatsächlich eine konkrete Möglichkeit bestehen, im Vergleichsgebiet eine angemessene Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 18/06 R -). Solange der Leistungsträger dem Leistungsempfänger keine konkrete Mietvertragsabschlussmöglichkeit aufzeigt, muss jedoch bei der Anwendung des Mietspiegels der Unterschied zwischen den Mieten aller in den Mietspiegel eingeflossenen Mietverhältnisse und den Mieten für diejenigen Wohnungen, die auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden und die auch der Leistungsempfänger realistisch anmieten könnte, berücksichtigt werden (vgl. auch Deutscher Verein für öffentlichen private Fürsorge e.V.: Erstempfehlungen zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II [§ 22 SGB II] vom 8. Juli 2008 Seite 3: der Richtwert ist als Angemessenheitsgrenze so zu bestimmen, dass alle Leistungsberechtigten im räumlichen Vergleichsgebiet eine realistische Möglichkeit haben, eine Wohnung zu den ortsüblichen Marktbedingen zu finden, deren Kosten im Bereich dieses Richtwertes liegen). Je unattraktiver ein Antragsteller als potentieller Mieter für Vermieter ist, desto schwieriger wird die konkrete Wohnungssuche sein bzw. umso unattraktiver (zum Beispiel preislich) wird die konkret anmietbare Wohnung. In den Mietspiegel fließen demgegenüber auch attraktive oder jedenfalls nicht erst neu vermietete Wohnungen (Mieterhöhung aufgrund Staffelmietvereinbarung) ein, welche also nicht auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden (vgl. Berliner Mietspiegel 2007 a.a.O,). Der Senat hält deshalb nach wie vor die Zugrundelegung des Spannenoberwertes statt des Mittelwertes für die Kaltmiete für geboten, um sicher genug schlussfolgern zu können, dass eine solche Wohnung für den Antragsteller zur Verfügung stünde (vgl. zum Erfordernis der konkreten Ermittlung Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b 18/06 - SozR 4 -4200 § 22 Nr. 3 Rdnr. 23), auch wenn ein großer Teil der Leistungsempfänger Schwierigkeiten haben dürfte, sich für solche Wohnungen Vermietern gegenüber als akzeptable Mieter zu präsentieren (a. A. - ohne auf die Argumentation des hiesigen Senats einzugehen: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Oktober 2008 - L 5 AS 1649/07 -).

Bei der Ermittlung dieses Wertes sind auch die Betriebskosten einzubeziehen. Der Senat bleibt bei seiner bislang nur in Eilverfahren und im vorläufigen Rechtsschutz vertretenen Auffassung, hierfür mangels besserer Zahlen die Werte der Anlage I zum Mietspiegel heranzuziehen, auch wenn diese nicht amtlich sind. Der neue Mietspiegel enthält hierzu neben einem Mittelwert auch einen 4/5 Spannen-Oberwert. Letzterer ist zugrunde zu legen, damit auch insoweit von tatsächlich realistischen Kostenansätzen für anzumietende Wohnungen ausgegangen werden kann. Angeführt im Mietspiegel sind nämlich nur die Betriebskosten des Jahres 2005. Konkret ist hier als Mietspiegelwert ein Betrag von 4,75 EUR (Baujahre 1956-64, einfache Wohnlage, 60 m² bis unter 90 m²) + 2,59 EUR kalte Betriebs- sowie 1,15 EUR Heizkosten pro m² anzusetzen. Zwar ergibt sich aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes für 2007 ein Mittelwert von 2,13 EUR/qm für Betriebskosten einschließlich Heizung, also deutlich weniger. Maßgeblich kann aber aus vorgenanntem Grund (Unangemessenheit der jetzigen Miete nur soweit die konkrete zumutbare Alternative günstiger wäre) nicht ein bundesdeutscher Mittelwert sein, sondern die zu schätzenden Betriebskosten für die mutmaßlich konkret anmietbare Wohnung (a. A. 14. Senat, Beschluss vom 20. November 2007 - L 14 B 1650/07 AS ER - Juris Rdnr. 6). Aus Sicht des Senats ist der Wert für die Heiz- und Warmwasserkosten zudem aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise im Eilverfahren schätzweise jedenfalls für Zeiträume ab Juli 2008 um weitere 15% zu erhöhen, also auf 1,33 EUR/m² (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 291 vom 14. August 2008: Preise im Juli 2008 für Energie gegenüber dem Vorjahr um 15,1% gestiegen).

Die zu übernehmenden Unterkunftskosten für die gesamte Wohnung betragen demnach 80 m² x ( 4,75 EUR/m² + 2,59 EUR/m² + 1,33 EUR/m² ) = 693,60 EUR. Der für die Antragstellerin vom Antragsgegner zu übernehmende Kostenanteil beträgt danach 346,80 EUR.

Der Mietspiegel weist allerdings auch Kosten für Warmwasser aus. Nach der mittlerweile als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist jedoch im Regelsatz nach § 20 Abs. 1 SGB II bereits ein gewisser Betrag für Haushaltsenergie enthalten. Dies kann und muss nunmehr auch im Eilverfahren berücksichtigt werden. Der Senat gibt insoweit seine bislang aus Sicht der Leistungsbezieher großzügigere Betrachtungsweise auf.

Im Eilverfahren ist von schätzweise 6,32 EUR im Regelsatz enthaltenen Kosten für Haushaltsenergie (zur Berechnung vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R -). Dabei ist der vom BSG ermittelte Betrag von 6,22 EUR bei einem Regelsatz von 345,- EUR, also 1,8% des Regelsatzes, entsprechend fortzuschreiben (so bereits Beschluss des Senats vom 29. Juli 2008 - L 32 B 1458/08 AS ER -), so dass sich als Endwert 340,48 EUR ergibt.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Senat teilt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung des SG nicht, im Eilverfahren könnten - im Rahmen der Folgenabwägung- Kosten für Unterkunft nur im Falle der Glaubhaftmachung des drohenden Wohnungsverlustes zugesprochen werden. Ganz allgemein ist vielmehr ein Zuwarten auf die Klärung im Hauptsacheverfahren umso eher unzumutbar, je größer die Erfolgschancen in der Sache einzuschätzen sind (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 3. Juli 2007 - L 32 B 723/07 AS ER -; vom 5. September 2007 - L 32 AS 1423/07 AS ER -). Hier ist der Antragstellerin angesichts der bestehenden hohen Erfolgschancen in der Sache nicht zuzumuten, ihre laufenden mietvertraglichen Pflichten nicht erfüllen zu können. Auch bei den Kosten der Unterkunft handelt es sich um Grundsicherung zur Wahrung des Existenzminimums.

Die einstweilige Verpflichtung ist jedoch nur für die Zeit des aktuellen Monats bis zum Ende des laufenden Bewilligungszeitraumes auszusprechen. Die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung ist im Regelfall nur für den aktuellen Zeitpunkt und für die Zukunft gegeben, da jedenfalls grundsätzlich nur die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes besonders dringlich ist (ständige Rechtsprechung des Senats). Tatsachen und Besonderheiten, die hier eine rückwirkende Gewährung zur Vermeidung unbilliger Härten geböten, sind auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht worden, obwohl das SG seine Ablehnung nur auf die aus seiner Sicht fehlende Dringlichkeit gestützt hat. Für die Zeit ab Januar 2009 bedarf es zunächst eines Folgeantrages beim JobCenter.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten voll aufzuerlegen, weil der Antrag im Wesentlichen Erfolg hat. Die Zurückweisung ist primär dem Zeitablauf geschuldet

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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kleinchaos
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Re: KdU bei Wohn- / Haushaltsgemeinschaft L 32 B 2223/08 AS ER

#2

Beitrag von kleinchaos »

Das SG Dresden entschied am 22.10.2008 dazu ebenfalls rechtskräftig.
Urteil im Anhang.

Bereits am 18.06.2008 bestätigte das BSG unter dem Aktenzeichen B 14/11b AS 61/06 R den Wohnraumanspruch und damit die angemessenen KdU bei Vorliegen einer WG.
B 14-11b AS 61-06 R.pdf
http://www.kostenlose-urteile.de/SG-Dre ... ws6898.htm
L_6_AS_6_06.pdf
L_32_B_2223_08_AS_ER.pdf
S 20 AS 5022-08 ER KdU bei WG.pdf
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Günter
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Re: KdU bei Wohn- / Haushaltsgemeinschaft L 32 B 2223/08 AS ER

#3

Beitrag von Günter »

Das wichtigste Urteil dabei ist das Erste im zweiten Posting
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.6.2008, B 14/11b AS 61/06 R
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung- Angemessenheitsprüfung bei Wohngemeinschaften -
Aufteilung nach Kopfzahl - Einzelperson - Verfassungsmäßigkeit
Leitsätze
Lebt ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft, sondern in einer
bloßen Wohngemeinschaft, ist bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach
der Produkttheorie allein auf ihn als Einzelperson abzustellen.
Tatbestand
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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