LSG Berlin-Brandenbg L 25 AS 38/09 B ER Heizkostenschulden

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kleinchaos
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LSG Berlin-Brandenbg L 25 AS 38/09 B ER Heizkostenschulden

#1

Beitrag von kleinchaos »

Tenor:
Bei einer unangemessen hohen Miete müssen Schulden aus Heizgaslieferung nicht gezahlt werden, wenn auf Dauer die Wohnung nicht gehalten werden kann.
Hier: laut AV Wohnen Berlin angemessene Miete 360,00€ warm. Beim Kläger eine Warmmiete in Höhe von 495,00€.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

1 Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Dezember 2008 gerichtete, gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht zurückgewiesen. Der Antragsteller hat es nicht gemäß § 86b Abs. 2 S. 1 bis 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) vermocht, einen Anordnungsanspruch auf Übernahme der bei seinem Gasversorger bestehenden Schulden in Höhe von 1.616,75 € mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen.

2 Die hierfür einzig in Betracht zu ziehende Anspruchsgrundlage ist § 22 Abs. 5 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, Schulden durch den Antragsgegner übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist; nach § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II sollen sie übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

3 Die zuletzt genannte Sollbestimmung, welche den Antragsgegner in stärkerem Maße bindet, kommt hier zugunsten des Antragstellers von vornherein nicht zum Tragen. Es droht ihm schon keine Wohnungslosigkeit. Insbesondere ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass ein Sachverhalt gegeben wäre, welcher mit der in § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II ausdrücklich angesprochenen drohenden Wohnungslosigkeit gleichgesetzt werden könnte. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die in einem Mehrfamilienhaus befindliche Wohnung des Antragstellers infolge der derzeit fehlenden Beheizbarkeit unbewohnbar ist oder ihre Unbewohnbarkeit unmittelbar bevorsteht.

4 Auch nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II ist kein Anspruch gegeben, weil es schon an der dort geforderten Rechtfertigung fehlt. Eine Rechtfertigung ist nur dann gegeben, wenn die Schuldenübernahme geeignet ist, die Notlage nachhaltig und dauerhaft abzuwenden. Im vorliegenden Fall ist selbst bei Übernahme der Gaskostenschulden angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Antragstellers nicht davon auszugehen, dass die Beheizbarkeit der Wohnung wieder dauerhaft sichergestellt ist. Denn der Antragsteller wäre auch dann nicht imstande, die vom Gasversorger geforderten Abschlagsbeträge zu zahlen. Dies zöge wiederum neue Schulden und eine erneute Sperrung der Gasversorgung nach sich. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass der Antragsteller ausweislich der von ihm vorgelegten Kontoauszüge auf die Abschlagsforderung seines Gasversorgers in Höhe von 65,00 € bislang höchstens 40,00 € monatlich zahlte. Mehr gibt seine wirtschaftliche Situation auch gar nicht her. Vor allem seine Unterkunftskosten sind so hoch, dass die ihm gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichen, sowohl seinen Regelbedarf als auch seine Kosten für Unterkunft und Heizung zu decken. So erhält er neben der Regelleistung in Höhe von 351,00 € und Leistungen für Unterkunft und Heizung von 360,00 € derzeit lediglich einen Zuschlag nach vorangegangenem Arbeitslosengeldbezug in Höhe von 80,00 €, welcher zudem voraussichtlich im April 2009 ausläuft. Demgegenüber betragen allein schon die von ihm eigentlich zu zahlenden laufenden Unterkunfts- und Heizungskosten insgesamt 495,00 €, welche sich aus einer Nettokaltmiete von 410,00 € monatlich, einem Kaltwasservorschuss von 20,00 € monatlich und vom Gasversorger geforderten Abschlagszahlungen in Höhe von 65,00 € monatlich zusammensetzen. Zudem zahlt er ausweislich der aus den vorgelegten Kontoauszügen hervorgehenden Daueraufträge an die Rechtsanwälte 50,00 €, an die Staatsanwaltschaft Berlin 25,00 €, an die Landesjustizkasse 50,00 €, an die GmbH 30,00 €, an die GmbH 30,00 € sowie an in Höhe 29,99 € monatlich, so dass ihm nach Abzug der vorgenannten laufenden Verbindlichkeiten ohnehin nur noch rund 81,00 € und nach Auslaufen des Zuschlags nach vorangegangenem Arbeitslosengeldbezug kaum mehr als 1,00 € zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verblieben.

5 Selbst eine Rechtfertigung unterstellt, hätte der Antragsteller keinen Anspruch auf Schuldenübernahme glaubhaft gemacht. § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II eröffnet dem Antragsgegner lediglich ein ungebundenes Ermessen, mit der Folge, dass ein durchgreifender Anspruch auf die seltenen Fälle beschränkt bleibt, in welchen sich das Ermessen wegen der Besonderheit des Einzelfalls auf die einzig rechtmäßige Entscheidung verdichtet, Schulden zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage unter Einsatz öffentlicher Mittel übernehmen zu müssen. Abgesehen davon, dass für den Antragsteller keine besonderen Gesichtspunkte etwa wie Krankheit, Gebrechlichkeit oder in seinem Haushalt lebende minderjährige Kinder sprechen und eine Ermessensreduzierung nahe legen, spricht gegen eine solche bereits die Höhe der Gaskostenrückstände.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache selbst.

7 Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde ans Bundessozialgericht anfechtbar.
http://www.gerichtsentscheidungen.berli ... true&bs=10
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
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