BSG Tilgung ist in bestimmten Fällen KdU B 14/11b AS 67/06 R

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Koelsch
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BSG Tilgung ist in bestimmten Fällen KdU B 14/11b AS 67/06 R

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Beitrag von Koelsch »

Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung ausgeführt, dass die Übernahme von Tilgungsleistungen für selbst genutztes angemessenes Eigentum durch die ARGE nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese kann geboten sein wenn
- bei Nichtübernahme der Tilgungsleistung der Verlust der Immobilie droht
- die Gesamtkosten (also Zinsen + Tilgung) sich ungefähr im Rahmen der als angemessen zu übernehmenden Kosten für eine Mietwohnung bewegen.
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.6.2008, B 14/11b AS 67/06 R

Arbeitslosengeld II - angemessene Unterkunftskosten - Finanzierungskosten für selbst genutzte Eigentumswohnung - Berücksichtigung der Tilgungsraten bis zur Höhe der Angemessenheitsgrenze für Mietwohnungen - verfassungskonforme Auslegung - Gleichbehandlung - Verbot der reformatio in peius

Leitsätze

Tilgungsleistungen als Bestandteil der Finanzierungskosten einer vom Hilfebedürftigen selbst genutzten Eigentumswohnung sind vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige andernfalls gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2005 unter Berücksichtigung von Tilgungsraten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung.
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Der am 5. Mai 1948 geborene Kläger war im streitigen Zeitraum Eigentümer zweier auf einer Etage nebeneinander liegender Eigentumswohnungen im Haus M.-Straße 36 in Bielefeld. Die von ihm selbst genutzte Wohnung hat eine Größe von 45 qm, die andere Wohnung von 21 qm. Für die selbst genutzte Wohnung waren laut einem Tilgungsplan vom 1. August 2002 im Jahr 2005 zwischen 78,71 Euro (Januar 2005) bis 61,77 Euro (Dezember 2005) Zinsen sowie Tilgungsraten zwischen 285,76 Euro (Januar 2005) und 302,70 Euro (Dezember 2005) zu zahlen. Bis zum 1. Oktober 2008 wuchsen die monatlichen Tilgungsleistungen nach dem Tilgungsplan bis auf 361,69 Euro an, die Zinsleistungen verringerten sich bis auf 2,78 Euro. Im März 2006 verkaufte der Kläger die kleinere Wohnung, deren Verkehrswert im Januar 2004 gutachtlich auf 19.000 Euro geschätzt worden war, zu einem Kaufpreis von 20.000 Euro. Die Restschuld für diese Wohnung betrug am 1. März 2005 noch 7.188,73 Euro, am 1. April 2005 noch 7.078,73 Euro und am 1. Mai 2005 noch 6.968,09 Euro.
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Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 561,93 Euro. Für Unterkunft und Heizung legte sie einen Betrag in Höhe von 301,93 Euro zu Grunde, was den Kosten für beide Wohnungen entsprach. Auf den Widerspruch des Klägers teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 24. Januar 2005 mit, die Unterkunftskosten seien in Höhe von 231,88 Euro zu berücksichtigen. Von den Mieteinnahmen in Höhe von 85 Euro verbleibe nach Abzug aller Kosten ein Anrechnungsbetrag in Höhe von 29,54 Euro. Ab März würden die genannten Beträge zu Grunde gelegt.
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Mit Schreiben vom 10. März 2005 wies der Kläger darauf hin, dass er, wenn die Beklagte die Tilgungsleistungen weiterhin nicht berücksichtige, gezwungen sei, die selbstgenutzte Eigentumswohnung zu verkaufen, obwohl sie wegen Eigennutzung geschütztes Vermögen sei. Sie stelle für ihn eine Alterssicherung dar. Da er die Schulden bis auf einen Betrag von 14.707 Euro zurückgezahlt habe, sei ein Verkauf weder wirtschaftlich noch zumutbar. Die Tilgungsraten müssten zumindest in Höhe des angemessenen Kaltmietzinses übernommen werden. Er werde in ungerechtfertigter Weise benachteiligt gegenüber solchen Beziehern von Arbeitslosengeld II (Alg II), die gerade erst Wohnungseigentum erworben hätten und bei denen die Zinszahlungen entschieden höher seien als die Tilgungsraten. Würde er eine vergleichbare Wohnung anmieten, würde die Beklagte den angemessenen Mietzins übernehmen.
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Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. März 2005 die Übernahme von Tilgungsraten ab. Der Kläger legte auch hiergegen Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2005 zurückwies. Zur Ablehnung der Übernahme von Tilgungsraten führte sie aus: Tilgungsraten dienten allein dem Vermögensaufbau und entsprächen deshalb nicht dem Sinn der Leistungen nach dem SGB II, lediglich den Lebensunterhalt sicherzustellen. Eine fiktive Berücksichtigung des Mietzinses für eine angemessene Mietwohnung lasse das Gesetz ebenfalls nicht zu. Mit einem weiteren Bescheid vom 31. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2005 Leistungen in Höhe von monatlich 552,44 Euro. Darin enthalten waren 236,98 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen monatlichen Zinsbelastung in Höhe von 74,90 Euro. Mit Bescheid vom 25. Mai 2005 wurden dem Kläger für Mai 2005 Leistungen in Höhe von 569,18 Euro bewilligt (Regelleistung 345 Euro abzüglich Einkommen aus Vermietung in Höhe von 12,80 Euro, außerdem Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 236,98 Euro).
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Das Sozialgericht (SG) Detmold hat mit Urteil vom 16. Februar 2006 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2005 verurteilt, dem Kläger ab dem 10. März 2005 Leistungen im Rahmen der Kosten der Unterkunft in Höhe der jeweiligen angemessenen Tilgungsraten für die selbst genutzte Eigentumswohnung zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 16. Oktober 2006 das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 7. Dezember 2004 in der Fassung des Bescheides vom 15. März 2005, des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 31. März 2005 und 25. Mai 2005 verurteilt, dem Kläger zusätzlich zu den bereits gewährten Leistungen nach dem SGB II darlehensweise seine Tilgungsleistungen für die von ihm bewohnte Wohnung gemäß dem Tilgungsplan der N. Versicherung vom 1. August 2002 ab dem 1. März 2005 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass sie davon ausgehen, dass Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 7. Dezember 2004 in der Fassung des Bescheides vom 15. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2005, des Änderungsbescheides vom 31. März 2005 und des Änderungsbescheides vom 25. Mai 2005 sei. Sie gingen ebenfalls übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte sich für die Zeit ab dem 1. Juni 2005 entsprechend dem Ausgang des jetzigen Verfahrens verhalten werde.
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Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf die Tilgungsbeträge für seine Wohnung als nicht rückzahlbare Beihilfe nach dem SGB II, er könne diese Tilgungsraten jedoch als Darlehen von der Beklagten verlangen. Die Frage, ob Tilgungsraten als Leistungen der Grundsicherung im Rahmen des SGB II übernommen werden könnten, könne weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien beantwortet werden. Der Senat teile zwar die herrschende Auffassung, dass es grundsätzlich dem Zweck einer Sozialleistung wie der Grundsicherungsleistung nach dem SGB II zuwiderlaufe, wenn sie zum Aufbau von Vermögen genutzt werde. Die Allgemeinheit solle über Steuern nur das für die Bedarfsdeckung Erforderliche finanzieren. Vorhandenes angemessenes Vermögen werde jedoch auch im SGB II geschützt. Insoweit sei zu bedenken, dass bereits vorhandenes Wohneigentum beim Ausbleiben von Tilgungsleistungen durch Kreditkündigung und Zwangsvollstreckung gefährdet werden könne. Werde in diesen Fällen die Erhaltung des Vermögens durch eine darlehensweise Bedarfsdeckung ermöglicht, werde auch den Interessen der Allgemeinheit Rechnung getragen. Die langfristige Belastung der Allgemeinheit im Vergleich zu einer fiktiven Mietsituation könne gegebenenfalls sogar noch gesenkt werden.
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In einem Fall wie dem des Klägers, in dem sowohl die Wohnung nach Größe und Ausstattung angemessen und die endgültige Tilgung des Darlehens absehbar sei, seien die Tilgungsraten als darlehensweise Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Der Kläger könne auch insoweit nicht auf den Sozialhilfeträger verwiesen werden. Es entspreche der Gesamtkonzeption von SGB II und SGB XII, bei grundsätzlicher Zuordnung eines Hilfebedürftigen zum Leistungssystem des SGB II auch die Leistungen für Tilgungsraten bei Wohneigentum dem SGB II zuzuordnen. Eine Anwendung des § 22 Abs 5 SGB II in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung sei schon deshalb nicht möglich, weil der streitige Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Norm liege.
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Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte Revision eingelegt. Der Kläger trägt vor, es liege ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor, weil er im Vergleich zu einem Leistungsempfänger, der in einer vergleichbar großen Mietwohnung wohne und Leistungen nach dem SGB II beziehe, schlechter gestellt werde. Die Allgemeinheit werde nicht dadurch mehr belastet, dass Unterkunftskosten für einen Eigenheimbesitzer statt für einen Mieter gewährt würden. In seinem Fall seien die Zinsen, die die Beklagte als Zuschussleistung zahle, so gering, dass sie weit unter einem angemessenen Kaltmietzins lägen. Zumindest in Höhe der Kosten einer angemessenen Mietwohnung müssten seine Darlehenstilgungszahlungen übernommen werden.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 16. Oktober 2006 aufzuheben und das Urteil des SG vom 16. Februar 2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 7. Dezember 2004 und vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2004 sowie der Bescheide vom 31. März 2005 und 25. Mai 2005 zu verurteilen, für die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2005 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Tilgungsleistungen für die Eigentumswohnung im Haus M.-Straße 36 in Bielefeld als nicht rückzahlbare Beihilfe zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 16. Dezember 2006 und das Urteil des SG vom 16. Februar 2006 aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.
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Ihrer Ansicht nach sprechen die Leistungsgrundsätze des SGB II eher gegen die Übernahme von Tilgungsleistungen. Der Betonung der Eigenverantwortung laufe die Übernahme von Tilgungsleistungen zuwider, wenn der Hilfebedürftige, wie vermeintlich der Kläger, in einigen Jahren selbst in der Lage sei, die Tilgung aufzubringen. Ob hier tatsächlich fiskalische Gründe für eine darlehensweise Übernahme der Tilgungsraten sprächen, sei zweifelhaft, weil die Raten deutlich über den für einen Ein-Personen-Haushalt angemessenen Kosten von zur Zeit 245,92 Euro lägen. Soweit das LSG meine, der Kläger sei bei Eintritt in das Rentenalter in der Lage, aus seinem Rentenbezug das nunmehr vom Leistungsträger übernommene Darlehen zu tilgen, sei er zunächst gefordert, die Tilgung derart zu strecken, dass eine Abzahlung aus der Rente erfolgen könne. Eine darlehensweise Gewährung komme allenfalls nach § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Revisionen der Beteiligten sind im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob der Kläger einen höheren Anspruch auf Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ) hat, kann nicht abschließend beurteilt werden, da es insofern an notwendigen Feststellungen zu den angemessenen Kosten der Unterkunft fehlt. Die Berücksichtigung der vom Kläger für die von ihm selbst genutzte Eigentumswohnung zu entrichtenden Tilgungsraten als Kosten der Unterkunft ist nicht ausgeschlossen.
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1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
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a) Gegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche des Klägers auf KdU. Es handelt sich dabei um einen abtrennbaren selbständigen Anspruch, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind zwar beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R - RdNr 18; Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 49/06 R - RdNr 19). Von diesem Grundsatz hat das BSG aber für den Fall der KdU eine Ausnahme gemacht (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 ff), weil die Zuständigkeit für die Regelleistung und die KdU nach § 6 SGB II unterschiedlich und die Leistung inhaltlich von anderen Leistungen abgrenzbar ist.
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b) Die geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 31. Mai 2005. Auf diesen Zeitraum haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Streitgegenstand ausdrücklich begrenzt, auf ihn beziehen sich die angefochtenen Bewilligungsbescheide. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass Gegenstand des Verfahrens auch der Bescheid vom 7. Dezember 2004 ist, der die ursprüngliche Bewilligung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 enthielt. Er wurde in der Folgezeit von den Bescheiden vom 15. März 2005, 31. März 2005 und 25. Mai 2005 ergänzt und geändert. Als Änderungsbescheide hinsichtlich desselben Zeitraums sind diese Bescheide nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (Bescheid vom 15. März 2005) und § 96 SGG (Bescheide vom 31. März 2005 und 25. Mai 2005) Gegenstand des Verfahrens geworden.
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c) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfG Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -, DVBl 2008, 173 ff = NVwZ 2008, 183 ff = NZS 2008, 198 ff).
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2. Die Revision des Klägers ist zunächst insoweit begründet, als der Widerspruchsbescheid vom 24. März 2005 sowie der Bescheid vom 31. März 2005 teilweise rechtswidrig sind. Die Beklagte hat durch diese Bescheide die Rechtsposition des Klägers im Widerspruchsverfahren unzulässig verschlechtert. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 bewilligte sie dem Kläger Leistungen in Höhe von insgesamt 561,93 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005, in denen KdU in Höhe von 301,93 Euro enthalten waren. Diese Bewilligung änderte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 24. März 2005 und mit dem Bescheid vom 31. März 2005 dahin ab, dass dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2005 Leistungen in Höhe von 552,44 Euro gewährt wurden. KdU wurden nunmehr nur noch in Höhe von 236,98 Euro berücksichtigt. Die Beklagte war aber an den Verfügungssatz des Bescheides vom 7. Dezember 2004, mit dem sie eine Gesamtleistung in Höhe von 561,93 Euro bewilligt hatte, gebunden. Der Bescheid war insoweit nach § 39 SGB X mit seiner Bekanntgabe gegenüber dem Kläger wirksam geworden. Er bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, § 39 Abs. 2 SGB X. Die Anfechtbarkeit gibt dem vom Verwaltungsakt Betroffenen die Möglichkeit, eine Änderung zu seinen Gunsten herbeizuführen, begründet aber kein Recht der Behörde, ihre Entscheidung zum Nachteil des Anfechtenden zu ändern (BSGE 53, 284, 288). Die erlassende Behörde kann den Verwaltungsakt nur nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X zurücknehmen oder widerrufen. Die Beklagte hat den Bescheid vom 7. Dezember 2005 aber nicht nach § 45 SGB X zurückgenommen; die Voraussetzungen dafür lagen auch nicht vor. Die Verböserung betraf auch ausschließlich die hier streitigen Leistungen der KdU. Zwar hatte der Kläger in seinem Widerspruch insofern noch keine ausdrückliche Differenzierung vorgenommen. In seinem Widerspruchsschreiben wandte er sich sowohl gegen die Höhe der Leistungen für KdU als auch gegen die Berücksichtigung von Mieteinnahmen, die zu einer Minderung der Regelleistung geführt hatte. Die Reduzierung der Gesamtleistung um 9,49 Euro monatlich ergab sich jedoch allein daraus, dass die KdU nunmehr zutreffend allein für die selbst bewohnte Eigentumswohnung ermittelt wurden. Für den Monat Mai 2005 hat die Beklagte dem Kläger insgesamt höhere Leistungen bewilligt.
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3. Im übrigen sind die Revisionen der Beteiligten im Sinne der Zurückverweisung begründet. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte darüber hinaus weitere Kosten der Unterkunft des Klägers zu übernehmen hat.
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a) Der Kläger ist Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S 2014). Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist er im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II). Der Kläger ist überdies hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9, 11 und 12 SGB II.
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aa) Die Hilfebedürftigkeit scheitert nicht daran, dass der Kläger Eigentümer einer selbst genutzten Eigentumswohnung ist. Die Eigentumswohnung ist als angemessen anzusehen und zählt daher nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19. November 2004 - BGBl I 2902) zum Schonvermögen des Klägers, das nicht zu verwerten ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass Eigentumswohnungen, auch bei einer Belegung mit nur einer Person bis zu einer Wohnfläche von 80 qm als angemessen anzusehen sind (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 22). Dieser Grenzwert wird hier deutlich unterschritten.
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bb) Nach den Feststellungen des LSG verfügte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht über sonstiges verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs 1 SGB II (in der Fassung des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19. November 2004 - BGBl I 2902), das seine Bedürftigkeit nach § 9 Abs 1 SGB II ausschloss. Zwar war er noch Eigentümer einer weiteren Eigentumswohnung. Deren Wert, der vom LSG mit 19.000 Euro festgestellt wurde, überstieg aber nach Abzug der noch bestehenden Belastungen (7.188,73 Euro am 1. März 2005, 7.078,73 Euro am 1. April 2005, 6.968,09 Euro am 1. Mai 2005) nicht die Freibeträge des Klägers nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II (56 x 200 Euro = 11.200 Euro für März und April 2005 und 11.400 Euro im Mai 2005) und § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II (in Höhe von 750 Euro).
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b) Ob dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 SGB II, als von der Beklagten bisher bewilligt, zustehen, kann erst aufgrund weiterer Feststellungen entschieden werden, die das LSG zu treffen hat. Die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen für die von ihm selbst genutzte Eigentumswohnung als KdU ist zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Senat schränkt insoweit seine Aussage im Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 2/05 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 24) ein, wonach Tilgungsleistungen (generell) nicht als KdU vom Grundsicherungsträger zu übernehmen seien. Jedenfalls dann, wenn der Hilfebedürftige ohne (gegebenenfalls anteilige) Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben, kommt eine Übernahme der gesamten Finanzierungskosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung in Betracht.
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aa) Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Als angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 19, 20). Diese zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze gelten auch, soweit Hilfebedürftige Kosten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung von angemessener Größe im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II geltend machen (vgl Urteil des Senats vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R - zu einem angemessenen Hausgrundstück). Die Angemessenheit der Eigentumswohnung im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II indiziert allerdings noch nicht die Angemessenheit der durch eine solche Wohnung verursachten Unterkunftskosten im Sinne des § 22 SGB II. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten richtet sich vielmehr für Mieter und Wohnungseigentümer nach einheitlichen Kriterien. § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, verhält sich aber nicht zur Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten. Im Hinblick auf die durch die Unterkunft verursachten Kosten gibt es im Regelfall keinen sachlichen Grund, Haus- oder Wohnungseigentümer unterschiedlich zu behandeln (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 24).
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bb) Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schließt die Berücksichtigung von Tilgungsraten nicht aus. Als tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft kommen danach bei Eigentumswohnungen die gesamten Finanzierungskosten, mithin auch Tilgungsleistungen in Betracht.
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cc) Auch der Sinn und Zweck der Leistung steht der Übernahme von Tilgungsleistungen nicht entgegen. Der Gesetzgeber räumt dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert ein, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet ist oder im Eigentum des Hilfebedürftigen steht. § 22 SGB II dient dem Schutz der Wohnung als räumlichem Lebensmittelpunkt (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 5). Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 - BGBl I 1706 - § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II) hat der Grundsicherungsträger jedenfalls für eine Übergangsfrist selbst unangemessen hohe Mietkosten zu übernehmen, solange es dem Hilfebedürftigen nicht möglich ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Kosten zu senken. Steht tatsächlich eine abstrakt angemessene Unterkunftsalternative nicht zur Verfügung, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 22). Auch der Verwertungsausschluss des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II dient, worauf der Senat bereits hingewiesen hat (Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 34/06 R), nicht dem Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand, sondern allein dem Schutz der Wohnung im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als räumlicher Lebensmittelpunkt (BSGE 97, 263 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, jeweils RdNr 13). Das dort genannte "Schonvermögen" soll der Hilfebedürftige deshalb nicht verwerten müssen.
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dd) Allerdings besteht insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung andererseits. Das Arbeitslosengeld II soll den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 24 unter Bezugnahme auf BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, Stand August 2008, § 22 RdNr 14; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 27 ff). Die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen führt jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies ist aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums droht. Ist die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, hat bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten.
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Erforderlich ist daher zum einen, dass die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Der Hilfebedürftige muss deshalb vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen, um die Tilgungsverpflichtung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Zum anderen können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte (vgl zu den Schuldzinsen BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R -). Da es sich insoweit um tatsächliche Kosten der Unterkunft handelt, ist in diesem Rahmen für eine darlehensweise Gewährung nach dem SGB II kein Raum. Wenn die unvermeidliche Tilgungsleistung die angemessenen Kosten einer Mietwohnung übersteigt, könnte darüber hinaus ein Darlehen in Betracht kommen.
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ee) Ausgehend vom Ziel des Gesetzgebers, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, so lange dies zu Lasten der Allgemeinheit mit vertretbaren Kosten (angemessene Kosten der Unterkunft) verbunden ist, spricht auch das Gebot der Gleichbehandlung von hilfebedürftigen Mietern und Wohnungseigentümern für eine Einbeziehung von Tilgungsleistungen. Eine Ausformung dieses Gebots lässt sich auch dem Wohngeldrecht entnehmen. Der Bezugnahme auf das Wohngeldrecht kann in diesem Zusammenhang nicht entgegen gehalten werden, dass dessen Grundsätze für die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht maßgebend seien (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 18). Entscheidend ist hier, dass sowohl die Leistungen für KdU nach § 22 SGB II als auch das Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) der Sicherung des Wohnens dienen. Alg II- und Sozialgeldempfänger nach dem SGB II sind nur deshalb aus dem Kreis der Wohngeldberechtigten (§ 1 Abs 2 Satz 1 Nr 2 WoGG) ausgeschlossen, weil Leistungen für die KdU nach § 22 SGB II den angemessenen Wohnbedarf umfassend sicherstellen. Nach § 6 Abs 1 WoGG wird aber bei Eigentumswohnungen als "Belastung" diejenige "aus dem Kapitaldienst und aus der Bewirtschaftung" zugrunde gelegt. Zum Kapitaldienst zählt dort neben den Darlehenszinsen ua auch die Tilgungsverpflichtung (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, Wohngeldgesetz, Stand: April 2008, § 6 RdNr 37 ff). Hieraus wird zudem deutlich, dass die Übernahme von Tilgungsleistungen in einem steuerfinanzierten Sicherungssystem nicht notwendig ausgeschlossen ist.
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Ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Übernahme der Tilgungsraten durch die Beklagte im hier maßgebenden Bewilligungsabschnitt für den Erhalt der Immobilie zwingend erforderlich war. Der Kläger hat zwar die Erklärung der das Darlehen finanzierenden Versicherungsgesellschaft vorgelegt, worin diese Vollstreckungsmaßnahmen für den Fall ankündigte, dass "keine Zahlungen" mehr geleistet würden. Abgesehen davon, dass es dabei schon an einer Differenzierung zwischen Darlehenszinsen und Tilgung fehlt, kann hieraus allein noch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zahlung der Tilgungsraten unverzichtbar war, um das Wohneigentum zu erhalten. Hierfür müssten auch andere Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels verschlossen sein, etwa eine Tilgungsaussetzung oder -streckung. Das LSG wird des weiteren gegebenenfalls Feststellungen zu den angemessenen Kosten einer Mietwohnung zu treffen haben.
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c) Die Beklagte hat im übrigen ihren Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zutreffend die Zinsbelastung des Klägers, den nach dem Wirtschaftsplan der Hausverwaltung auf den Kläger entfallenden Betriebskostenanteil, die Grundsteuer sowie die Heizkosten zu Grunde gelegt. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke und Eigentumswohnungen zählen alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Urteil des Senates vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R -; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, § 22 RdNr 26). Hierzu gehören Steuern, öffentliche Abgaben sowie Erhaltungsaufwendungen. Wie bei Mietwohnungen sind auch bei Wohnungseigentum die angemessenen Heizkosten zu übernehmen.
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Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.


http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... 36&anz=180
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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