BFH - XI R 48/05 - Vorbuchung USt.

Urteile, die in den anderen Foren nicht rein passen.
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Koelsch
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BFH - XI R 48/05 - Vorbuchung USt.

#1

Beitrag von Koelsch »

Weil das Thema ja doch ab und an diskutiert wird, hier die Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2007, wonach an das FA abzuführende Umsatzsteuer (und andere, regelmäßig anfallende Betriebsausgaben) vorgebucht werden dürfen, also z.B. Zahlung am 5.1.2013 Buchung aber in das Jahr 2012, damit diese Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung des Jahres 2012 berücksichtigt werden kann.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 1.8.2007, XI R 48/05
Umsatzsteuer-Vorauszahlung als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe - Umsatzsteuer-Erstattung als regelmäßig
wiederkehrende Einnahme
Leitsätze
Eine für das vorangegangene Kalenderjahr geschuldete und zu Beginn des Folgejahres entrichtete UmsatzsteuerVorauszahlung
ist als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe im vorangegangenen Veranlagungszeitraum abziehbar.
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger
erzielte u.a. als Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ermittelt seinen Gewinn nach § 4
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 1999 behandelte er
die am 6. Januar 2000 für das IV. Quartal 1999 entrichtete Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von 1 843,70 DM
als Betriebsausgabe des Streitjahres. Zur Begründung verweisen die Kläger auf § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Beurteilung nicht. Einspruch und Klage
hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die an das FA abzuführende Umsatzsteuer nicht als
"regelmäßig" wiederkehrende Ausgabe zu qualifizieren.
2 Mit der Revision machen die Kläger geltend, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG erfüllt seien.
Nachdem die Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen
zu erfassen seien (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl
II 1987, 16), müsse dasselbe für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gelten. Das BFH-Urteil vom 28. Januar
1960 IV 226/58 S (BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291) sei überholt. Bei den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen
handele es sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit nach dem Jahreswechsel abflössen.
3 Es sei ohne Bedeutung, dass sich die Zahlungen der Höhe nach ändern könnten. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei der Unternehmer jeweils bis zum 10. des Folgemonats verpflichtet, eine
Umsatzsteuer-Voranmeldung abzugeben. Die Steuer sei am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums
fällig und spätestens bis zu diesem Tag an den Fiskus zu zahlen.
4 Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des
Einkommensteuerbescheids vom 31. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 die
Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um 1 843,70 DM (942,67 EUR) zu mindern.
5 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6 Regelmäßig wiederkehrend i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei allenfalls die Abgabe der UmsatzsteuerVoranmeldung,
nicht hingegen die Pflicht zur Entrichtung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung. Vielmehr seien
auch sog. Null-Festsetzungen und Umsatzsteuer-Erstattungsfälle denkbar.
7 Ferner entstehe der den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zugrunde liegende Rechtsanspruch nach § 13 UStG
jeden Monat neu, während die kassenärztlichen Abschlagszahlungen aufgrund eines dauerhaft bestehenden
Rechtsverhältnisses geleistet würden. Beide Fallgruppen seien daher nicht vergleichbar.
8 Schließlich führe die Erfassung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe
noch im vorangegangenen Kalenderjahr zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Umsatzsteuer-Erstattungen,
die gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) erst nach Prüfung des FA ausbezahlt würden. UmsatzsteuerErstattungen
für das IV. Quartal eines Kalenderjahres würden aufgrund der vorzunehmenden Prüfung durch das
FA tatsächlich regelmäßig erst nach Ablauf von 10 Tagen im nachfolgenden Kalenderjahr ausbezahlt und damit
auch erst in diesem Veranlagungszeitraum als Betriebseinnahme erfasst. Diese Ungleichbehandlung sei
sachlich nicht zu rechtfertigen.
Entscheidungsgründe
12.05.2011 Bundesfinanzhof
…bundesfinanzhof.de/…/druckvorscha… 1/3
9 II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Die für das IV. Quartal 1999 zu leistende
Umsatzsteuer-Vorauszahlung war in diesem Veranlagungszeitraum als Betriebsausgabe abzuziehen.
10 1. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG
entsprechend. Hiernach gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit
nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, angefallen sind, als in diesem
Kalenderjahr abgeflossen.
11 2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt.
12 a) Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung bei
der Art der von dem Kläger erbrachten Leistungen von vornherein feststeht (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 26.
Aufl., § 11 Rz 21; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 13). Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende
Zahlungs- und Fälligkeitstermin ist gesetzlich geregelt; nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis
zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung abzugeben (so im Streitjahr) bzw.
auf elektronischem Weg zu übermitteln; die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach
Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig (zur Notwendigkeit der Fälligkeit kurz vor oder nach Ende des
Kalenderjahres vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 63/94, BFHE 178, 326, BStBl II 1996, 266; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz B 88; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 11 Rz 253).
13 Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen; als
"kurze Zeit" gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 11 Rz 23). Der Kläger entrichtete
die Umsatzsteuer-Vorauszahlung am 6. Januar 2000.
14 Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gehören wirtschaftlich zum abgelaufenen Kalenderjahr; sie beruhen auf
Leistungen, die der Kläger im Vorjahr erbracht hat, bzw. auf Zahlungen, die er im Vorjahr erhalten hat.
15 Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind Betriebsausgaben, nicht nur durchlaufende Posten (vgl. WeberGrellet,
in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz D 310, m.w.N.).
16 b) In dem Urteil vom 10. Oktober 1957 IV 98/56 U (BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23) hatte der BFH unter Hinweis
auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der Zahlungen der KV entschieden, dass die geleisteten
vierteljährlichen Abschlusszahlungen auf die Kassenleistungen bei den Ärzten keine regelmäßig
wiederkehrenden Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG seien, da ein fester Zahlungs- und
Fälligkeitstermin nicht vorgesehen sei. In dem Urteil in BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 kam der IV. Senat
hingegen zu dem Ergebnis, dass bei der Gewinnermittlung eines Arztes durch Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3
EStG) die jeweils für Dezember des Vorjahres Anfang Januar des Folgejahres zu leistenden
Abschlagszahlungen der KV gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen des
Arztes dem vorangegangenen Kalenderjahr zuzurechnen seien. Im Unterschied zu der Entscheidung in BFHE
66, 52, BStBl III 1958, 23 bejahte der IV. Senat in diesem Fall auch die Fälligkeit der Zahlungen. An dieser
Rechtsprechung hat der IV. Senat auch in der Folgezeit festgehalten (Urteil in BFHE 178, 326, BStBl II 1996,
266).
17 In der Entscheidung in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291 bezog sich der IV. Senat auf die (überholte)
Entscheidung in BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23; jedenfalls die Umsatzsteuern und die Telefongebühren
gehörten nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG. Dieser
Entscheidung kann nicht mehr gefolgt werden. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Umsatzsteuer steht ihrer
Berücksichtigung als wiederkehrende Ausgabe nicht entgegen; für die Umsatzsteuer ist ein fester Zahlungsund
Fälligkeitstermin vorgesehen. Der IV. Senat hat auf Anfrage dieser Abweichung zugestimmt.
18 c) Dieser Beurteilung steht auch nicht die vom FA hervorgehobene Tatsache entgegen, dass als Ergebnis einer
Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht nur Vorauszahlungen, sondern gelegentlich auch sog. Null-Festsetzungen
oder Erstattungen in Betracht kommen.
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind wiederkehrende Leistungen i.S. des
§ 197 des Bürgerlichen Gesetzbuchs solche, die ihrer Natur nach auf Leistungen gerichtet sind, die nicht
einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (z.B. BGH-Urteile vom 10. Juli 1986 III
ZR 133/85, BGHZ 98, 174, Der Betrieb --DB-- 1986, 1867; vom 14. September 2004 XI ZR 11/04, DB 2004, 2807,
und vom 18. Oktober 2005 VI ZR 312/04, Versicherungsrecht --VersR-- 2006, 132, m.w.N.). Der BFH hat sich
dieser zivilrechtlichen Begriffsbestimmung auch für die Anwendung von § 11 EStG angeschlossen (Urteil in
BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16).
12.05.2011 Bundesfinanzhof
…bundesfinanzhof.de/…/druckvorscha… 2/3
20 Der BGH hat bereits frühzeitig geklärt, dass es der Annahme einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung nicht
entgegensteht, wenn sich zu einem der Termine gelegentlich gar kein Anspruch ergibt. Der Ausfall einzelner
Leistungen wegen des "mangelnden Gegenstandes" ist demnach unschädlich (BGH-Urteil vom 23. September
1958 I ZR 106/57, BGHZ 28, 144). Dementsprechend hat der BFH im Zusammenhang mit dem Zufluss von
Zinseinnahmen entschieden, für die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG sei eine regelmäßige Wiederkehr
in gleichbleibender Höhe entbehrlich (Urteil vom 3. Juni 1975 VIII R 47/70, BFHE 116, 147, BStBl II 1975, 696).
Die Regelmäßigkeit der Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist bereits zu bejahen, wenn diese "nicht
nur einmal oder rein zufällig mehrmals" angefallen sind (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE
145, 538, BStBl II 1986, 342).
21 Vor diesem Hintergrund hat der Umstand, dass infolge einer abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldung auch
Umsatzsteuer-Erstattungen oder sog. Null-Festsetzungen auftreten können, keinen Einfluss auf die Einordnung
der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG.
22 d) Der Hinweis des FA, im Gegensatz zu den Abschlagszahlungen, die von der KV gegenüber den Ärzten
aufgrund eines fortdauernden Rechtsverhältnisses erbracht würden, entstehe der Umsatzsteueranspruch nach
§ 13 UStG mit jedem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz neu, führt gleichfalls zu keinem abweichenden
Ergebnis.
23 So hat der BGH für den Fall eines monatlich mit der Ratenzahlung jeweils neu entstehenden
Bereicherungsanspruchs des Kreditnehmers auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Kreditkosten die
regelmäßige zeitliche Wiederkehr des Leistungsanspruchs bejaht (Urteil in BGHZ 98, 174, DB 1986, 1867).
Mithin steht auch der mit jedem Umsatz jeweils zum Ablauf des Voranmeldungszeitraums neu entstehende
Umsatzsteueranspruch (§ 13 UStG) der Annahme der regelmäßigen zeitlichen Wiederkehr der UmsatzsteuerVorauszahlungen
nicht entgegen.
24 e) Schließlich greift auch der Einwand des FA nicht durch, wonach für Umsatzsteuer-Erstattungen wegen der
Anwendung von § 168 Satz 2 AO der Zeitpunkt des Zuflusses sich nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimme,
was eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Umsatzsteuer-Vorauszahlungen
zur Folge habe.
25 Liegen die in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Voraussetzungen vor, ist auch eine Umsatzsteuer-Erstattung
dem vorangegangenen Kalenderjahr zuzuordnen. Dass dies möglicherweise infolge der Anwendung von § 168
Satz 2 AO bei Umsatzsteuer-Erstattungen für das vorangegangene Kalenderjahr (teilweise) nicht der Fall ist,
berührt den rechtlichen Anwendungsbereich von § 11 EStG nicht.
12.05.2011 Bundesfinanzhof
…bundesfinanzhof.de/…/druckvorscha… 3/3
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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