"Nicht genehmigter" Umzug

Hilfe bei Fragen rund um Miete, Heizkosten etc. beim ALG II nach § 22 SGB II.
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hashtagalg2
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"Nicht genehmigter" Umzug

#1

Beitrag von hashtagalg2 »

Hallo zusammen!

Ich weiß, dass es bereits einige Einträge zu dem Thema gibt. Mein Problem: Ich verstehe das dortige Juristen-Deutsch nicht!

Deswegen hier mein Fall:

Wenn ich von einer Stadt der Mietstufe 4 (mit einer derzeitigen Miete von 330 WM) ohne Absprache mit dem Jobcenter in eine Stadt der Mietstufe 2 ziehe (mit einer Miete von angemessenen 413 € + Heizkosten 1,30 pro qm²),

- muss ich die neue Wohnung dort beim Jobcenter vor Ort vor Unterschreiben meines Mietvertrages genehmigen lassen?
- muss ich dann damit rechnen, dass das Jobcenter dort nur meine alte Miethöhe (aus vorheriger Stadt der Mietstufe 4, also warm 330€) bezahlen wird?

Dass ich bei nicht genehmigten Umzügen den Umzug und die Kaution selbst tragen muss, weiß ich bereits. Aber die Differenz von 330 € zu 471,50 € Warmmiete wäre dann doch zu viel für mich!

Viele Grüße
hashtagalg2
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Günter
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#2

Beitrag von Günter »

Das BSG hat vor Ewigkeiten geurteilt, dass ein Verbot von Umzügen in eine andere Stadt, ein Verstoß gegen das Freizügigkeitsgebot des GG darstellt. Daher ist ein Umzug nicht genehmigungspflichtig und die angemessene Miete vom neuen JC zu zahlen.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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hashtagalg2
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#3

Beitrag von hashtagalg2 »

Vielen dank lieber Günther!
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Olivia
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#4

Beitrag von Olivia »

ohne h bitte
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marsupilami
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#5

Beitrag von marsupilami »

Langsam mit den jungen Pferden!

Soo einfach sehe ich das nicht!

latürnich darf eLB umziehen wohin er/sie lustig ist.
Im Prinzip.
Aber es geht ja i.d.R. nicht nur um den reinen Standortwechsel, sondern auch um die Umzugskosten.
Wenn man/vrau nur einen - gewichtsmäßig tragbaren - Koffer mit Klamotten und händie und Läppie zu tragen hat, kann man dem Umzug sogar von Hamburg nach München mittels Öffies bewältigen.
Meisten hängt ja aber doch etwas mehr dran.
Und da liegt der Hase im Pfeffer.

https://www.rechtsanwalt.com/rechtsnews ... 22-sgb-ii/


Weiter:
Wenn man ohne Zustimmung der ARGE umziehen will, gibt es dabei einiges zu beachten:
1. Die neue Wohnung darf nicht teurer sein als die alte, da nach SGB II § 22 Abs. 1 Satz 2 nach einem nicht genehmigten Umzug die ARGE für die neue Wohnung nur die Kosten zahlt, die es zuvor für die alte Wohnung gezahlt hat. Kostet die neue mehr, muss man die Mehrkosten für die Zeit dieses ALG2-Bezuges selbst tragen.
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenue ... 25b606.php

Die sagen im Prinzip das gleiche:
Umzug bei Hartz IV ohne Zustimmung der ARGE
Wenn Sie das vorhaben, beachten Sie folgendes:

Ihre neue Wohnung darf nicht teurer sein als die alte. Das SGB II regelt: Nach einem nicht genehmigten Umzug zahlt die ARGE für die neue Wohnung nur die Kosten, die sie zuvor für die alte Wohnung gezahlt hat. Das betrifft Kaltmiete + Nebenkosten + Heizkosten zusammen.
Ist die neue Wohnung teurer und Sie bleiben bei derselben ARGE, müssen Sie die Mehrkosten selbst tragen.
Ziehen Sie in den Zuständigkeitsbereich einer anderen ARGE, gelten neue Kriterien für die Angemessenheit. Die KdU werden nach Angemessenheit am neuen Wohnort bewilligt, unabhängig vom alten Wohnort. Lediglich wenn Wohnbeschaffungs- und Umzugskosten übernommen werden sollen, muss der Träger der Umzug zustimmen.
Entsprechendes BSG-Urteil ist abgelegt unter Aktenzeichen B 7b AS 10/06 R vom 07.11.2006. s. hier
https://www.hartz-4-empfaenger.de/umzug-bei-hartz

Hier ein direkter Link zu dem im letzten Zitat angesprochenen Urteil:
http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteil ... 0.06_R.htm

Aus der Presse ein Beispiel:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 77930.html
Der Link zum Urteil: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... n&nr=14209


Ich vermute mal - als alter Schwarz-Seher - dass das "neue" JC rumzicken wird.
Mind. bei den Umzugskosten, wenn die eingereicht werden.
Selbst wenn nicht, wird es versuchen, auf die alten KdU zu deckeln.

Also sich auf Querelen einzustellen kann nicht verkehrt sein.

Außer es kann die Notwendigkeit des Umzugs belegt werden.
Dann sieht die Welt ganz anders aus.
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kleinchaos
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#6

Beitrag von kleinchaos »

Die Umzugskosten müsste das alte JC tragen. Im Normalfall sind die meist froh dich (und jeden anderen) loszuwerden und würden liebend gern dir den Umzug und noch bissel was obendrauf geben, wenn damit nicht für das neue JC auch die dort vielleicht teurere KdU zu stemmen wäre. Keine Kommune ist froh über noch mehr Kosten.

Das BSG hatte ja vor längerer Zeit geurteilt, dass die Begrenzung auf die bisherige Miete bei einem überregionalen Umzug rechtswidrig ist. Die galt für den alten § 22, der ja inzwischen mehrfach geändert wurde, zuletzt 2016 im Zuge der Verschlimmbesserung. Und die Kommunen drücken das auch gnadenlos durch. Die Hürden für eine Zusicherung setzt auch der Gesetzgeber schon recht hoch an. Der Gesetzgeber sagt, dass ein Umzug für einen Sozialleistungsempfänger dann als erforderlich oder begründet angesehen werden kann, wenn auch ein Nichtleistungsbezieher aus dem selben Grund umziehen würde.

Wenn also das alte JC dem Umzug zustimmt, dann kann das neue JC sich nicht der höheren Miete verweigern
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
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tigerlaw
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#7

Beitrag von tigerlaw »

marsupilami hat geschrieben: Sa 20. Jan 2018, 11:03
Umzug bei Hartz IV ohne Zustimmung der ARGE
Wenn Sie das vorhaben, beachten Sie folgendes:

Ihre neue Wohnung darf nicht teurer sein als die alte. Das SGB II regelt: Nach einem nicht genehmigten Umzug zahlt die ARGE für die neue Wohnung nur die Kosten, die sie zuvor für die alte Wohnung gezahlt hat. Das betrifft Kaltmiete + Nebenkosten + Heizkosten zusammen.
Ist die neue Wohnung teurer und Sie bleiben bei derselben ARGE, müssen Sie die Mehrkosten selbst tragen.
Ziehen Sie in den Zuständigkeitsbereich einer anderen ARGE, gelten neue Kriterien für die Angemessenheit. Die KdU werden nach Angemessenheit am neuen Wohnort bewilligt, unabhängig vom alten Wohnort. Lediglich wenn Wohnbeschaffungs- und Umzugskosten übernommen werden sollen, muss der Träger der Umzug zustimmen.
Entsprechendes BSG-Urteil ist abgelegt unter Aktenzeichen B 7b AS 10/06 R vom 07.11.2006. s. hier
Das Urteil vom 07.11.2006 ist hier nicht einschlägig!

Vielmehr gilt: Solange man innerhalb eines JC-Bezirks umzieht, wird man tatsächlich auf die bisherigen KdU festgenagelt. Wenn man aber in den Bezirk eines anderen JC umzieht (Beispiel: Von Hamburg nach Hannover), gibt es diese Deckelung nicht, da prüft nur das JC in (hier:) Hannover, ob die KdU (bezogen auf Hannover!) angemessen sind.
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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marsupilami
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#8

Beitrag von marsupilami »

Ist ja alles richtig.
Aber wie oft haben wir hier schon erlebt, dass sich JC-SB einen feuchten Kehrricht um Recht und Gesetz oder aktuelle Rechtsprechung schert.

Wenn der - "unangemeldete" und "ungenehmigte" - Umzug problemlos über die Bühne geht, freu' ich mich.
Wirklich! :jumpi:
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#9

Beitrag von Olivia »

D.h. die Rechtslage hat sich geändert und man kann bei einem überregionalen Umzug nur noch dann mit einer Übernahme einer höheren Miete rechnen, wenn der Umzug notwendig gewesen ist? Oder andersrum gefragt, wenn man einfach umzieht nur um einen Tapetenwechsel zu haben, dann ist die Miete auf den bisherigen Jobcenter-Bezirk gedeckelt? Die Umzugskosten mal aussen vor gelassen.
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Günter
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#10

Beitrag von Günter »

Der TE sprach von einer anderen Stadt.
Wenn ich von einer Stadt der Mietstufe 4 (mit einer derzeitigen Miete von 330 WM) ohne Absprache mit dem Jobcenter in eine Stadt der Mietstufe 2 ziehe (mit einer Miete von angemessenen 413 € + Heizkosten 1,30 pro qm²),

https://www.welt.de/wirtschaft/article1 ... ngern.html

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/es ... &id=132767
D.h. die Rechtslage hat sich geändert und man kann bei einem überregionalen Umzug nur noch dann mit einer Übernahme einer höheren Miete rechnen, wenn der Umzug notwendig gewesen ist?
Nein, das Urteil gilt immer noch.
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Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#11

Beitrag von kleinchaos »

Nun, er wird es vermutlich durchklagen müssen. Wie wir wissen, zahlen die wenigsten freiwillig irgendwas
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#12

Beitrag von Olivia »

Die Inanspruchnahme des Umzugsrechts ist also nachteilig für den eLB und es besteht ein Klagerisiko. Bis zu einem Urteil kann es zur Unterdeckung und ggf. zum Wohnungsverlust kommen.
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Günter
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#13

Beitrag von Günter »

Ich zitieren einen der SPD Fuzzis Beck. Es ist unmoralisch, wenn ALG II Empfänger die ihnen zustehenden Anträge stellen.

Recht muss verteidigt werden. Die Millionen Duckemäuser, die sich alles von den JC gefallen lassen sind doch die Rechtfertigung für asoziales Pack a la Nahles, unsere Bürgerrechte immer mehr einzuschränken und Leistungen vorzuenthalten.

Die schaden mindestens genauso viel, wie Hohlköppe a la Arno Dübel.
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Re: "Nicht genehmigter" Umzug

#14

Beitrag von kleinchaos »

bei der hier angesprochenen Differenz sehe ich aber die Möglichkeit zum Ellverfahren
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