Schreiben an Rechtsanwalt ist raus auch das hier noch größere Sauerein zu erwarten sind
,,Folgende Stellungnahme darf gerne für Kontakte mit Politikern verwendet werden, die noch Einfluss nehmen können, bevor das BMAS seine geplante Weisung erlässt. Mit Schreiben vom 18. März wurde den Ländern Gelegenheit gegeben, zu einer entsprechenden Weisung Stellung zu nehmen - und zwar bis 27. März.
Diejenigen Betroffenen, die mir bekannt sind, sind wild entschlossen, weiterhin für die Regelbedarfsstufe 1 zu kämpfen - und daher nun diese Stellungnahme:
Am vergangenen Mittwoch war die Umsetzung der Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts zur Regelbedarfsstufe 3 im SGB XII (B 8 SO 14/13 R) vom 23.07.2014 Tagesordnungspunkt 1 bei der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag.
Die Berichterstattung durch das BMAS enthält teilweise unzutreffende Darstellungen:
Es wird beispielsweise erklärt, dass „die Sozialgerichte bis hin zu allen Landessozialgerichtsentscheidungen“ davon ausgegangen wären, „dass für die Zuordnung zu den Regelbedarfsstufen 1 und 3 maßgeblich ist, ob eine Person den Haushalt selbst führt oder in einem Haushalt lebt, der von einer anderen Person (oder von zwei anderen Personen) geführt wird“.
Hierzu ist zu erwähnen, dass bereits die Vorinstanz der betreffenden BSG-Entscheidung im Sinne der behinderten Klägerin entschieden hat. Das Sozialgericht Detmold, welches die Sprungrevision zugelassen hatte, erklärte im Urteil S 16 SO 27/13 vom 23.05.2013 bereits folgendes:
(Zitat-Anfang) „Im Hinblick auf die im SGB II normativ-typisierend unterstellten Kosten einer Haushalts-ersparnis lässt sich ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Leistungsempfänger des SGB II und des SGB XII weder den Gesetzesmaterialien entnehmen noch ist er sonst erkennbar. Insbesondere findet sich ein sachlicher Grund nicht in dem Umstand, dass die Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende grundsätzlich erwerbsfähig i. S. des § 8 SGB II sind. Die Annahme einer Haushaltsersparnis in bestimmten Konstellationen des Zusammenlebens hat keinen Bezug zur Erwerbsfähigkeit. . . .
Nach Maßgabe des Gleichheitssatzes gem. Art. 3 GG und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII können daher Einsparungen bei gemeinsamen Haushalt nur angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft i. S. des § 19 Abs. 1 SGB XII bilden.
An dieser Rechtsprechung des BSG ist nach Auffassung der Kammer auch nach der Neuregelung zum 01.01.2011 in § 27a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII festzuhalten, denn in der Sache hat sich die Rechtslage nicht geändert. . . . Der Gesetzgeber war sich darüber bewusst, dass die Regelbedarfsstufe 3 weiterhin eine Ungleichbehandlung von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII gegenüber solchen nach dem SGB II mit sich bringt, da diese ab Vollendung des 25. Lebensjahres generell Anspruch auf den vollen Regelsatz haben. . . .
Die Regelbedarfsstufe 3 bringt eine Ungleichbehandlung mit sich, da die Leistungen für haushaltsangehörige Leistungsberechtigte nach dem SGB XII ab Vollendung des 25. Lebensjahres im Vergleich zum SGB II geringer sind. Eine solche Absenkung der Leistungen ließe sich nur dadurch rechtfertigen, dass bei ihnen generell ein geringerer Bedarf ermittelt worden wäre. Dies ist indes nicht der Fall, denn die Regelbedarfsermittlung nach § 28 SGB XII unterscheidet nicht zwischen erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Personen.“ (Zitat-Ende)
Diese deutlichen Zitate des SG Detmold (als Vorinstanz der thematisierten BSG-Entscheidung) zur Ungleichbehandlung machen deutlich, dass das BMAS bei seiner Berichterstattung entscheidende Argumente für (!) eine Umsetzung der BSG-Entscheidung verschweigt, indem es eben diese Ungleichbehandlung von behinderten Menschen gegenüber nichtbehinderten bei gleicher Stellung innerhalb des Haushalts mit keinem Wort erwähnt.
Während das BSG entschieden hat, zu welcher Regelbedarfsstufe behinderte Menschen zuzuordnen sind, die in einer WG oder im Haushalt der Eltern leben, erklärt das BMAS, dass es anerkennen würde, „dass das BSG verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelbedarsstufe 3 hat“.
Gegen die Regelbedarfsstufe 3 als solche hat das BSG aber gar nicht geurteilt, sondern nur gegen eine ungleiche Zuweisung in diese Gruppe.
Dies ist schon deshalb von Bedeutung, da das Bundesverfassungsgericht bereits am 23. Juli 2014 erklärt hat, „dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Höhe von 80 % von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf“ (Absatz 100 im Beschluss des BVerfG – 1 BvL 10/12 – 1 BvL 12/12 – 1 BvR 1691/13).
Entscheidend ist also die Definition der „Alleinstehenden“, denn gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist jede (!) erwerbsfähige Person im Haushalt anderer ab dem 25. Geburtstag „alleinstehend“, wenn sie nicht Partner eines anderen Haushaltsmitglieds ist.
Daher kann nicht akzeptiert werden, dass Menschen mit Behinderung bei gleicher Stellung im Haushalt niemals als „Alleinstehende“ gewertet werden und bis zum Lebensende in der Regelbedarfsstufe 3 verbleiben sollen.
Ein „abweichender“ Bedarf, mit dem die Regelbedarfsstufe 3 per Weisung des BMAS aufgestockt werden soll, wäre vorhersehbar befristet bis Ende des Jahres 2016, so dass anschließend erneut eine Benachteiligung von behinderten Menschen beginnen würde.
Das BMAS erklärt weiterhin, dass auf der Grundlage der aktuellsten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die im zweiten Halbjahr 2015 zur Verfügung stehen wird, eine neue Regelbedarfsermittlung durchgeführt wird und dass die neuen Regelbedarfe dann voraussichtlich am 1. Januar 2017 in Kraft treten.
Bedenklich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass in dem Gutachten der Ruhruniversität Bochum, welches vom BMAS in Auftrag gegeben wurde und die Grundlage seiner „Berichtspflicht“ bildete, auf Seite 293 folgendes zu lesen ist:
„Insgesamt muss man daher feststellen, dass eine gezielte Untersuchung des Ausgabenverhaltens von Haushalten mit behinderten Personen mit den Daten der EVS nicht möglich ist.“
Sucht man dieses Gutachten auf der Seite des BMAS, ist Seite 293 mit dieser entscheidenden Feststellung aber nicht dabei:
Siehe hier (das Laden dauert etwas):
http://www.bmas.de/SharedDocs/Downlo...ublicationFile
Wenn man dasselbe Gutachten hier lädt, ist es länger, und da findet man dann auch Seite 293, wo das Zitat am Anfang des letzten Satzes steht:
http://www-stud.uni-due.de/~sgpekied...Uni-bochum.pdf
Wenn aber eine gezielte Untersuchung des Ausgabenverhaltens von Haushalten mit behinderten Personen mit den Daten der EVS nicht möglich ist, ist es umso unverständlicher, wie das BMAS für eben diesen Personenkreis auf der Grundlage der EVS eine eigene (!) Regelbedarfsermittlung durchführen will, die im Vergleich zu erwerbsfähigen Menschen bei gleicher Stellung innerhalb des Haushalts einfach pauschal um 20 % gekürzt wird.
Aufgrund der Unmöglichkeit einer eigenen Regelbedarfsermittlung für behinderte Personen auf der Grundlage der EVS, kann keinerlei pauschale Benachteiligung von behinderten gegenüber nicht-behinderten Personen in gleicher Situation akzeptiert werden, so dass nur die Umsetzung der BSG-Rechtsprechung eine Gleichbehandlung ermöglicht, zumal das BSG diese Grundsatzentscheidung gestern nochmal bekräftigt hat.