Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Koelsch
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Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#1

Beitrag von Koelsch »

Ich war ja heute als Beistand beim SG Aachen.
Strittig zwei Rechtsfragen
  1. Horizontaler Verlustausgleich zulässig ja/nein.
    Nach dem Urteil des BSG - http://alg-ratgeber.de/selbststandige-a ... 16999.html und einer zuvor erfolgten freundlichen Frage, ob die Klage wegen dieses Urteils nicht zurück genommen würde, war zu erwarten, dass das Gericht in dem Punkt dem BSG folgen würde. So geschah's.
  2. Die Klägerin machte Kosten des Mobiltickets (ca. € 30/Monat) als Betriebsausgabe geltend. JC lehnte zunächst ab, Mobilticket sei ja im Regelsatz enthalten war im Laufe des schriftlichen Verfahrens dann aber "ausnahmsweise" (das wurde heute nochmals betont) gnädigerweise bereit, 50% als Betriebsausgabe anzuerkennen. Mehr aber nicht, da es ja auch privat genutzt werden könne.
    Klägerin gab an: Ich habe das Mobilticket ausschließlich gekauft, weil es in meinem Fall die günstigste Möglichkeit ist, meine Kunden im Stadtgebiet aufzusuchen. Es sei nicht völlig auszuschließen, dass sie es dann auch mal privat genutzt habe, üblicherweise aber fahre sie mit dem Fahrrad, sogar bis in die umliegenden Orte wie z.B. Herzogenrath (immerhin ca. 15km eine Strecke).
    Sie habe im Schnitt 5-6 Kunden pro Arbeitstag, jeden Tag andere.
    Gericht meinte, das sei kein Grund von der 50% Anrechnung abzusehen. Zusätzlich sei die jeweilige erste und letzte Fahrt am Tag nicht als Betriebsfahrt zu sehen, die falle in den Grundfreibetrag (§ 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II) als Fahrt zum/vom Arbeitsplatz. Dies ergäbe sich zweifelsfrei aus der Randnummer 23 der BSG Entscheidung http://alg-ratgeber.de/selbststandige-a ... 15198.html.
    Ich habe darauf hingewiesen, dass BSG spräche hier von Betriebsstätte und habe nicht definiert, was das sei. Das Gericht sah das anders - und wenn ich die BSG Entscheidung jetzt selbst lese, hat das SG in dem Punkt wohl Recht. BSG geht aber auf den Punkt auch nicht großartig ein.
    Ändert aber nichts an meiner Meinung, dass das keine Fahrt zur Betriebsstätte sein kann, im SGB II Bereich fehlt es an einer Definition des Begriffs Betriebsstätte. Daher ist hier auf die einschlägige und durchgängige Definition des Steuerrechts zurückzugreifen, letztlich noch vom BFH bestätigt - http://alg-ratgeber.de/selbststandige-a ... 15002.html

    Ebenso sah es das SG also "völlig normal an", dass diese Art der Mobilticket zu folgendem "Irrsinnssachverhalt" führt (ich hab mich gewähter ausgedrückt) :verlegen:

    Ein 4-er Ticket koste € 10,00 reicht also für 5 Termine (Haus-A-B-C-D-E-Haus), wenn man (Haus-A/E-Haus) nicht als Betriebsfahrt ansehen will
    Klägerin habe 10 Termine/Monat, also unzweifelhaft
    2 x 4-er Ticket = € 20 Betriebsausgabe, durch geschickte Ortsplanung seien (Haus-A/E-Haus) zu Fuß zu erledigen

    Da sie gute Arbeit leistet werden aus den 10 Terminen 20 Termine, jetzt schwenkt sie um, nicht mehr 4 x 4-er Ticket = € 40, sondern Mobilticket = € 30 - aber jetzt wollen JC und SG nur noch € 15 Betriebsausgaben anerkennen. Das sei nun mal so, meinte SG
:angel:
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#2

Beitrag von Olivia »

Das ist aber sehr unlogisch, weil hier das Prinzip der Kostenvermeidung dem Prinzip entgegensteht, dass nicht einfach private Anteile bei der Monatskarte unterstellt werden dürfen! Würde die Aufstockerin weiter bei Einzelfahrten bleiben, würde man ihr unwirtschaftliches Verhalten vorwerfen. Kauft sie aber eine Monatskarte, werden 50% Privatnutzung unterstellt. Und auch das nur ausnahmsweise, da man gnädig sei. Wie soll man das verstehen?
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Koelsch
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#3

Beitrag von Koelsch »

So isses - und, die Frage hab ich dem SG auch gestellt, wo bitte steht denn in der ALG II Verordnung, da seien Privatanteile zu schätzen. Auch die BA findet da keine Rechtsgrundlage und verweist, oh Wunder, auf das Steuerrecht, das aber doch eigentlich gar keine Anwendung findet.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#4

Beitrag von Olivia »

Koelsch hat geschrieben:Die Klägerin machte Kosten des Mobiltickets (ca. € 30/Monat) als Betriebsausgabe geltend. JC lehnte zunächst ab, Mobilticket sei ja im Regelsatz enthalten
Nein. Der im Regelsatz enthaltene Anteil ist a) zu niedrig und b) für alle Arten von Transport und Fortbewegung vorgesehen, nicht nur für den Erwerb einer Monatskarte. Wenn zum Beispiel das Fahrrad mal in den Öffentlichen mit fahren soll oder bei schlechter Witterung sogar mitfahren muss, wird eine Fahrradkarte erforderlich. Auch für den Unterhalt des Fahrrades fallen Kosten an, ebenso wie für die Rücklage einer Neuanschaffung, wenn das Fahrrad mal kaputtgeht. Teilediebstahl ist auch so eine Sache. Wer bezahlt die Lampe, wenn sie geklaut wird? Das muss alles aus dem Regelsatzanteil für Mobilität bestritten werden. Oder man muss mal mit dem Taxi eine dringende Fahrt erledigen. Da sind schnell die Regelsatzanteile für Mobilität für ein, zwei Monate ausgegeben.
war im Laufe des schriftlichen Verfahrens dann aber "ausnahmsweise" (das wurde heute nochmals betont) gnädigerweise bereit, 50% als Betriebsausgabe anzuerkennen
Mir hat mal eine SB gesagt, dass die Anerkennung der Monatskarte vom Gewinn abhängt. Je höher der Gewinn, umso eher würde das JC eine Notwendigkeit "befürworten".
Mehr aber nicht, da es ja auch privat genutzt werden könne.
Genau diese Quotelung halte ich für nicht rechtens. Gerade nicht im Bereich SGB II. Wer sagt denn, dass die Klägerin über Sozialkontakte verfügt, die eine Monatskarte erforderlich machen, wenn sie ein Fahrrad hat?
Klägerin gab an: üblicherweise fahre sie mit dem Fahrrad, sogar bis in die umliegenden Orte wie z.B. Herzogenrath (immerhin ca. 15km eine Strecke).
Alle im Zusammenhang mit einem betrieblichen Fahrrad stehenden Kosten kann man somit als Betriebsausgabe geltend machen. Werden Kunden mit dem Fahrrad aufgesucht, sind die damit verbundenen Kosten Betriebsausgaben. Also Fahrrad-Vollversicherung (inkl. Kasko und Reparaturkosten, kostet ca. 10 € monatlich), Reparaturkosten, Kosten für eine angemessene Beleuchtungsanlage (wichtig im Herbst, wenn es frühzeitig dunkelt), Kosten für Regenkleidung, Luftpumpe, Wartung und Inspektionen, Bereifung, Wechsel der Fahrradkette, und ganz wichtig: ein gutes Fahrradschloss.
Zusätzlich sei die jeweilige erste und letzte Fahrt am Tag nicht als Betriebsfahrt zu sehen, die falle in den Grundfreibetrag
Ist das wirklich so? Was, wenn die Fahrten zur Betriebsstätte mit einem privaten (nicht "streckentauglichen") Zweitfahrrad erledigt werden? Und von der Betriebsstätte zu den Kunden wird mit der Monatskarte ausgeschwärmt, beziehungsweise mit dem Firmenfahrrad?
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Koelsch
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#5

Beitrag von Koelsch »

Nee, nee Olivia.

Hier geht's nicht um Fahrrad, hier geht's darum im Regelsatz sind Pauschalen für "private" Ausgaben vorgesehen, auch eine Mobilitätspauschale. Mit der besuch ich die Oma und den Onkel, nicht aber einen Kunden.

Dann kommen wir auf die Pauschalierung von Privatnutzung, wie die berühmten 50% Telefonkosten, oder hier 50% Mobilticket.

Wo steht irgend etwas darüber?
§ 3 Abs. 2 ALG II-V sagt
Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen.
Tatsächlich geleistet wurden € 30 Mobilticket, und die sind ohne jeden Zweifel auch notwendig.

Nirgendwo finde ich etwas zu einem "Pauschalsatz" für Privatnutzung .... außer im Steuerrecht, da ist das üblich. Aber das ist ja ausdrücklich ausgeschlossen, also muss sich die Vorschrift doch im Bereich SGB II finden. Tut sie aber nicht.

Es wird aber noch lustiger - denn genau das, keine Pauschale für Privatnutzung wird im § 3 ALG II-V in Abs. 7 festgehämmert. Denn hier wird eine der berühmtesten steuerlichen Privatnutzungspauschalen explizit ausagesachlossen - die berühmte 1% Regelung für Betriebsfahrzeuge. Warum nur? Weil, wie in Absatz 2 deutlichst steht, nur tatsächlich geleistete., also auf den Cent genau belehgte Ausgaben und Einnahmen zu berücksichtigen sind.

Es tut mir leid, aber diese tollen Pauschalen sind für die Gesässfläche - es gibt im SGB II keinerlei Rechtsgrundlage dafür. Und wenn man dann trotzdem meint, man müsse so handeln, warum dann für Telefon und Mobilticket, nicht aber für die Privatnutzung von Kugelschreiber, Druckerpapier, Druckertinte etc. etc. etc. - diese Sachen werden in gleichem Maße privat genutzt wie das Telefon.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#6

Beitrag von Olivia »

Wenn das Gericht dann aber einfach eine Pauschale "erfindet", was soll man denn dann machen? Ist das schon Rechtsbeugung?
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Koelsch
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#7

Beitrag von Koelsch »

Keine Rechtsbeugung, aber das Gericht sollte dann schon sehr genau begründen, warum entgegen dem sehr klaren Gesetzestext doch Steuerrecht zur Anwendung kommt - und nach welchen Kriterien dann ausgewählt wird hier Steuerrecht, dort kein Steuerrecht.
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marsupilami
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#8

Beitrag von marsupilami »

Ist das die Argumentation für die nächste Eskalationsstufe?
Signatur?
Muss das sein?
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Koelsch
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#9

Beitrag von Koelsch »

:jojo: :jojo:
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#10

Beitrag von Olivia »

Vielleicht gibt es dann richterliche Rechtsfortbildung mit einem Grundsatzurteil, wann welche Fahrtkosten übernommen werden müssen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache müsste dann auch der ganze Rechtszug eröffnet werden. Wenn man das aufsummiert, geht es um riesige Beträge jährlich!

Erstaunlich ist, dass es keine eindeutigen Hinweise der BA-Zentrale zum Thema Monatskarte gibt.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#11

Beitrag von kleinchaos »

Das ist nicht erstaunlich, sondern gewollt. Denn wenn man da konkret werden würde, müsste man hochoffiziell zugeben, dass der Regelbedarfsanteil Verkehr, Mobilität einfach viel zu gering geschätzt wurde. Es könnten andere Selbständige auf den Zug aufspringen und alle anderen Leistungsbezieher ebenfalls. Na 3 mal darfst du raten wer sich darüber die Haare raufen wird?
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#12

Beitrag von tigerlaw »

Das Problem habe ich derzeit auch für einen user (derzeit in der Widerspruchsstufe): Fahrkosten für Öffis (Einzel, Tages- und 4-Fahrten-Tickets für insgesamt 171,00 € sind vorgelegt worden [variierend von 6,90 € bs 39,90 €]).
Sie werden nicht anerkannt, weil sie "bereits in Form des Sozialtickets im Grundfreibetrag nach § 11b SGB II enthalten" seien. Und die Tickets könnten auch nicht berücksichtigt werden, da nicht nachgewiesen wurde, dass sie tatsächlich mit der beruflichen Tätigkeit entstanden sind.

Insoweit habe ich geschrieben:
Ihre Aussage, dass die Fahrkosten im „Grundfreibetrag“ nach § 11b enthalten seien, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn dem so wäre, müsste dies auch so in der ALG-II-VO zu lesen sein. Deshalb muss ich Sie bitten, mir die Grundlage Ihrer Aussage im Gesetz bzw. der VO nachzuweisen. Und wenn meine Mandantin bei jedem Ticket vermerken wollte (teilweise waren es auch Tagestickets, wenn sie mehrere Kunden am selben Tag besuchen konnte), welchen Kunden sie bei dieser Fahrt aufgesucht hat, dann wäre damit der Datenschutz nicht mehr gewährleistet.
Diese "Konstruktion" des JC ist ja nicht ganz abwegig, denn im Grundfreibetrag des § 11b SGB II sind ja auch die Werbungskosten enthalten (und 30 € Versicherungspauschale). "Werbungskosten" sind aber bei selbständiger/gewerblicher Tätigkeit die Betriebsausgaben (so das Steuerrecht), so dass, genau betrachtet, jeweils 70 € monatlich zu viel unangerechnet bleiben.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist das aber "Aachener (oder Berlinger, Münchner ...) Landrecht", von den JC eigenständig geschaffen. Das darf nicht sein! Der Gesetz- oder Verordnungsgeber könnte natürlich in den § 3 II ALG-II-VO einen Passus einbauen, dass monatlich 70 € der Betriebskosten nicht anerkannt würden, da sie bereits in § 11b SGB II enthalten seien. Gegen eine solche Gestaltung dürfte auch ein BVerfG machtlos sein.

Aber das will ich nicht sofort dem JC (oder später dem SG) auf einem silbernen Tablett servieren, allenfalls in einer mündlichen Verhandlung ...
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#13

Beitrag von Koelsch »

Das sehe ich nicht so, und das macht die Argumentation der JC noch fragwürdiger.

Der Verordnungsgeber in seiner abgrundtiefen Weisheit hat nämlich genau das erkannt - Selbstständige können Werbungskosten ziemlich weitgehend als Betriebsauisgabe geltend machen, es käme also zu einer doppelten Berücksichtigung, einmal als Betriebsausgabe einmal als Teil des Grundfreibetrags.

Aus dem Grund wurde ja bisher im § 6 Abs. 3 a) ALG II-V ausdrücklich geregelt, die "Werbungskostenpauschale" ist bei Einkommen nach § 3 ALG II-V nicht zu berücksichtigen.

Seit 1.8. ist die ja nun komplett flach gefallen (das müssen wir im ALG II-Rechner noch berücksichtigen, schade, denn damit entfällt ein "Alleinstellungsmerkmal". Meines Wissens war unser Rechner der einzige im Web angebotene Rechner, der diesen § 6 Abs. 3a ALG II-V automatisch berücksichtigte.)
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#14

Beitrag von tigerlaw »

:pssst: :doof: dass ich das nicht selber gewusst habe!

Damit ist natürlich erst recht dem SG AC (siehe den Startbeitrag #1) und dem JC meines Mandanten der Wind aus den Segeln genommen!

Demgemäß habe ich den Absatz jetzt wie folgt formuliert:
Ihre Aussage, dass die Fahrkosten im „Grundfreibetrag“ nach § 11b enthalten seien, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn dem so wäre, müsste dies auch so in der ALG-II-VO zu lesen sein. Deshalb muss ich Sie bitten, mir die Grundlage Ihrer Aussage im Gesetz bzw. der VO nachzuweisen. § 6 I Nr. 3 Buchst. a) ALG-II-VO (a.F.) sagt da jedenfalls etwas ganz anderes!
Und wenn meine Mandantin bei jedem Ticket vermerken wollte (teilweise waren es auch Tagestickets, wenn sie mehrere Kunden am selben Tag besuchen konnte), welchen Kunden sie bei dieser Fahrt aufgesucht hat, dann wäre damit der Datenschutz nicht mehr gewährleistet.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#15

Beitrag von Koelsch »

Da ist das Urteil - http://alg-ratgeber.de/post412150.html#p412150

bisher hab ich noch keine Nachricht, ob Berufung gewünscht wird. Immerhin lässt die Kammer diese ausdrücklich zu, man sieht also, da stehen grundsätzliche Frage zur Diskussion.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#16

Beitrag von tigerlaw »

Koelsch hat geschrieben: Immerhin lässt die Kammer diese ausdrücklich zu, man sieht also, da stehen grundsätzliche Frage zur Diskussion.
Nein, lieber Kölsch, es ist hier Regelberufung gegeben: Im Absatz 5 a.E. steht ausdrücklich
(Gesamtbeschwer: 885,50 Euro).


Aber die Klägerin sollte das wirklich in Essen auf den Prüfstand stellen!
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Koelsch
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#17

Beitrag von Koelsch »

Gestern beim Stammtisch besprochen - wir gehen in Berufung. Dann bekommt Ihr also demnächst wieder was zum verbessernden bemeckern.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#18

Beitrag von schnickschnuck »

Horizontaler Verlustausgleich:
Wenn also zwei Gewerbe auf eigenes Risiko betrieben werden und beide Gewerbe Plus abwerfen, dann hält der Staat nur allzu gerne die Hand auf. Wenn ein Gewerbe Plus abwirft, das andere ein Minus, dann hält man beim Plus die Hand auf, das Minus fällt komplett unter den Tisch? Das macht man wie lange, bis der Betroffene pleite ist, weil er den Verlust als Empfänger von Transferleistungen doch nur über den Gewinn ausgleichen kann.
Meiner Meinung nach muss das schon anerkannt werden, dass die Einnahmen beider Gewerbe verrechnet werden. Bei der Konstellation +/+ wird das auch gemacht, bei +/- nicht. Das ist nicht gerecht.
Das Höchste der Gefühle ist, dass die Tragfähigkeit des verlustreichen Gewerbes geprüft werden könne, wenn das stets ein Minus ergibt. Aber nicht einfach sagen: "Der Verlust ist uns egal, sehen Sie selbst zu, wie sie das ausgleichen. Ach übrigens, das was zum Ausgleichen vorhanden ist, nehmen wir ihnen weg."

Das erinnert mich an die Zeit, als Einkommen aus Selbständigkeit monatlich berechnet wurde. Grob gesagt: In Monat 1 kauft der Selbständige Ware ein, macht 5.000 Euro Betriebsausgabe, in Monat 2 verkauft der Selbständige die Ware, macht 8.000 Euro Plus. Die 5.000 Euro waren egal, die 8.000 Euro dagegen wurden voll angerechnet. Das geschah zweimal, der Selbständige war danach so hoch verschuldet, dass er insolvent war und aufgeben musste. Den Fall hat mir ein damaliger Steuerberater erzählt. Das Gericht hat da auch nicht mehr geholfen, denn bis das aktiv wurde, war die Sache längst gelaufen.

Und bei den Fahrtkosten ist das auch so ein Ding.

Das Gericht vertritt die Auffassung, selbständige Tätigkeit soll sich für den Selbständigen also keinesfalls lohnen?
Dann eben jeden Tag Tageskarten kaufen, die müssen dann voll in die EKS gehen. Wird dann zwar erheblich teurer, aber was solls? Da wird wirtschaftliches Verhalten erzwungen und dann wird man dafür praktisch noch bestraft, weil die Kosten nur zu 50% anerkannt werden. Praktisch.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#19

Beitrag von Koelsch »

Bei horizontalen Verlustausgleich hat aber das BSG bekanntlich mittem Kopp geschüttelt und genau darum ging es auch in dem Verfahren - wir sind der Ansicht, das BSG hat "fehl geurteilt".
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#20

Beitrag von Olivia »

Koelsch hat geschrieben:Gestern beim Stammtisch besprochen - wir gehen in Berufung. Dann bekommt Ihr also demnächst wieder was zum verbessernden bemeckern.
Ja bitte. 50% Eigenanteil sind ein Witz und müssen weg. DIe Kosten sind 100% betrieblich veranlasst und Punkt.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#21

Beitrag von schnickschnuck »

Meine persönliche Ansicht ist auch, dass das BSG fehl geurteilt hat.
Wie gesagt, wenn permanent ein Verlust vorliegt, dann muss man nach einigen Zeiträumen die Tragfähigkeit evtl. in Frage stellen. Wenn diese nicht gegeben ist, kann man androhen, den Verlustausgleich nicht mehr zu akzeptieren. Aber nicht einfach von Anfang an sagen: "Nö, geht nicht."
Wenn alle Einkommensarten zählen, dann auch Einkommensarten, die durchaus mal einen Verlust haben können. Alles zusammengerechnet, am Ende steht dann eine Zahl. Und die kann als Einkommen berücksichtigt werden. Wenn bei Beiden Gewerben ein Plus steht, nimmt man das doch seitens der Behörde auch gerne mit.
Was aktuell gemacht wird, dass man sich zwischenreinhängt und das Maximal Mögliche absaugt, das geht. Der Verlust aber völlig unbeachtet bleibt. Das ist ein wenig viel unternehmerisches Risiko, das auf den Schultern einer Person liegt. Im schlechtesten Fall steht dann trotz eines erfolgreich laufenden Gewerbes die Insolvenz, weil der Gewinn vom erfolgreichen Gewerbe bis zum Selbstbehalt abgesaugt wird und der Verlust aus Gewerbe 2 ignoriert wird und ggf. nicht mehr abgefangen werden kann.

Der Bauer, der Erdbeeren anbaut und 60 Kühe im Stall hat, das Erdbeerfeld Gewinn abwirft, die Kühle im Stall aufgrund der miesen Preise einen Verlust, kann doch auch die beiden miteinander verrechnen. Niemand wird dem Bauern sagen, dass er seine Kühe abzuschaffen hat. Das wird er aus wirtschaftlicher Überlegung heraus irgendwann selbst tun - oder das Geschäftsmodell anpassen. Aber keine Steuerbehörde wird ihm sagen, dass er das gefälligst zu tun hat und die Betriebskosten des Kuhstalls nicht mehr anerkennt...

Und könnte dort auch fieserweise behaupten, durch den Verlust des Kuhstalls senkt er die Steuerlast, die anfallen würde, wenn er den Stall nicht hätte und nur die Erdbeeren verkauft.

Was macht denn bitte VW?
Die sind des Betruges überführt, haben dadurch hohe Schadensersatzzahlungen, dadurch viel weniger Gewinn und dadurch viel weniger Steuern, die sie bezahlen müssen. Opfer des Betruges sind die Betrogenen... und die Gemeinden, die jetzt massive Zahlungsausfälle bei der Gewerbesteuer hinnehmen müssen. Und warum? Aufgrund Betrügereien. Da schreit auch kein Politiker, dass das ungerecht ist.
Und hier haftet letztlich der Bürger für das vorsätzliche Versagen der Managerebene. Man könnte auch von krimineller Energie sprechen.

Aber bei den Peanuts von selbständigen ALG-II-Empfängern. Da wird sogar noch auf den Centbetrag geguckt.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#22

Beitrag von Olivia »

Könnte man nicht ein Mischgewerbe anmelden? Erdbeer- und Kuhzucht oder integrierte Landwirtschaft?
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marsupilami
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#23

Beitrag von marsupilami »

Was - bitte - ist eine "integrierte Landwirtschaft"?

Landwirtschaft integriert in einen Automobilkonzern?
Frisches Gemüse und Eiern von glücklichen Hühnern für die Kantine?
Signatur?
Muss das sein?
schnickschnuck
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#24

Beitrag von schnickschnuck »

Beim Bauern ist das wohl so.
Aber in dem vorliegenden Fall gibt es wohl Gewerbe 1 und Gewerbe 2.
Der Witz wäre aber tatsächlich:
Wenn die beiden Gewerbe als ein Gewerbe geführt würden, dann käme unterm Strich ein Gewinn heraus. Dieser würde dann berücksichtigt werden. Da es aber zwei Gewerbe sind, pickt sich das Jobcenter bzw. der Staat die Rosinen raus und lässt den Rest unter den Tisch fallen. Und das ist meiner persönlichen Auffassung (und auch nach logischem Menschenverstand) nach nicht korrekt.
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Re: Kosten Mobilticket als Betriebsausgabe

#25

Beitrag von Olivia »

Kuhzucht integriert in Erdbeerwirtschaft = integrierte Landwirtschaft. Kühlschränke integriert mit Zierpflanzen zusammen mit Sandwiches = erweiterter Gemischtwarenhandel.
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