Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
glasser
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Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#1

Beitrag von glasser »

Hallo ich habe eine Frage zu Herabsetzungen vom Einkommen selbst?ndiger

Und zwar werden nach Ablehnung meines Widerspruchs nun vom Jobcenter folgende Kosten nicht nach 11b Abs. 1 SGBII einkommensmindert angerechnet.

Einkommensteuer Nachzahlungen
Da es sich nicht auf das Aktuelle einkommen richten w?rde und begr?ndet das mitBSG Urteil v. 26.10.2004 - B 7 AL 2/04 R
Dies obwohl es hier um eine fortf?hrend durchgef?hrte selbst?ndige T?tigkeit geht, der Nachzahlungsbescheid erst im BWZ erlassen und bezahlt wurde und wohl nur h?tte verhindert werden k?nnen, wenn man im Vorjahr den Spitzensteuersatz gezahlt h?tte.

Zahlungen an die Lebensversicherung, die der Altersvorsorge dienen.
Diese k?nnen angeblich nur abgesetzt werden wenn man von der gesetzlichen Rentenversicherung Pflicht befreit ist, dazu reiche die ?bliche Versicherungsfreiheit selbst?ndiger Gruppen nicht aus sondern befreit sind nur Gruppen die ?ber ein Versorgungswerk befreit sind.

Nachzahlung von Krankenkassenbeitr?gen aus dem Vorjahr da es sich nicht auf das aktuelle Einkommen bezieht (obwohl endg?ltige Krankenkassenbeitrags-Bescheid f?r das Vorjahr erst im BWZ zuging und bezahlt wurde (also keine Altschulden)

Gibt es eine M?glichkeit eines der 3 bei selbst?ndigen doch anzurechnen? Hat jemand Erfahrung damit und vielleicht ein Urteil?

LG Glasser
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Günter
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#2

Beitrag von Günter »

Zuflußprinzip. Die Fälligkeit der Zahlungen sind mM nach entscheidend.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Koelsch
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#3

Beitrag von Koelsch »

Sehe ich wie Günter.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#4

Beitrag von glasser »

Das Job Center sagt es sind Steuer bzw. Versicherungsschulden die grundsätzlich nicht abgezogen werden.
und begrünet es mit Beck Kommentaren aus dem Jahr 2004 und oben genannter Entscheidung.

Außerdem wird die KFZ Versicherung nicht abgezogen, da das Fahrzeug als Betriebsfahrzeug gilt (über den Betrieb geleast) aber gleichzeitig kann ich die Fahrzeugkosten nur wie für ein Privatfahrzeug angeben da unter 50% betrieblich genutzt..

Ich glaube das wird bei der endgültigen Berechnung des Einkommens noch vor Gericht enden, die legen alles aus wie sie wollen, wenn ich ihnen nicht ein paar aktuellere BSG Urteile dazu beilegen kann.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#5

Beitrag von Koelsch »

Hast Du die Aussagen vom JC schriftlich? Wenn ja, bitte mal anonymisiert hier einstellen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#6

Beitrag von glasser »

Ja hier zu Steuernachzahlung und Alterssicherung

Beim KFZ ist es so, dass ich im Widerspruch geschrieben hatte, sie sollten mir die (in Kopie eingereichte) KFZ Versicherung anteilig erstatten, darauf haben sie dann geschrieben:
"KFZ Kosten wurden nicht berücksichtig da Sie keine Angaben zu den betrieblichen Kilometern gemacht haben und kein Fahrtenbuch vorgelegt haben"
Naja das lässt sich vielleicht noch klären.

Die Aussagen zur Versicherung habe ich bisher nur telefonisch, da der Beitragsbescheid beim erstellen des Widerspruchs noch nicht vorlag.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Zuletzt geändert von glasser am Fr 2. Sep 2022, 17:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#7

Beitrag von Koelsch »

Gib mir bitte was Zeit.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#8

Beitrag von Olivia »

Alle vom TE genannten und geleisteten Aufwendungen sind definitiv Absetzbeträge und mindern das erzielte Einkommen vollumfänglich.

Zu der Einkommensteuerzahlung:
6. Vom Einkommen abzusetzende Beträge

6.1 Steuern

Absetzbar sind folgende Steuern:

• Lohn-/Einkommensteuer

Rz. 11.123 in https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015901.pdf
So sind ja auch EInkommensteuererstattungen innerhalb eines BWZ Einkommen. Und zwar ganz egal, wann das EInkommen erzielt wurde:
(3) Eine Einkommensteuererstattung seitens der Finanzverwaltung ist als einmalige Einnahme zu berücksichtigen.

Rz. 11.74 in https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015901.pdf
Abgrenzung Steuerzahlung/Steuerschulden:
Steuerschulden sind etwas ganz anderes als eine fällige Steuerzahlung. Bei Steuerschulden handelt es sich um Steuerrückstände, die von früher herrühren und deren Fälligkeit gegenüber dem Finanzamt (weit) überschritten ist. Hier vorliegend handelt es sich um eine Steuerzahlung, die aktuell an das Finanzamt geleistet werden muss(te). Dass es sich dabei um das Jahr 2020 handelt, liegt in der Natur der Sache. Die Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 lief ja wegen der Coronapandemie bis 31.10.2021 bzw. wegen des Wochenendes bis 01.11.2021.

Zr Absetzbarkeit von Altersvorsorgebeiträgen der Gruppen, die von vornherein in der RV nicht versicherungspflichtig sind und daher auch gar nicht von ihr befreit werden können, schreibt die BA ausdrücklich:
Angemessene Beiträge zu einer privaten Altersvorsorge sind insbesondere auch vom Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit abzusetzen, wenn für die selbstständig erwerbstätige Person keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV besteht (siehe Fachliche Weisungen zur RV).

Rz. 11.133 in https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015901.pdf
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#9

Beitrag von Koelsch »

Danke Olivia, sehr gut zusammengefasst. Ich meine mich zu erinnern, dass es auch ein Urteil (ich meine sogar BSG) gibt, das feststellt, dass sich die Absetzbeträge für Altersvorsorge an den Beträgen der gesetzlichen RV orientiert, also 18,6% vom Gewinn.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#10

Beitrag von Koelsch »

Achte bitte peinlich genau auf die Einhaltung der Klagefrist. Und ich empfehle, Dir für die Klage einen Anwalt zu nehmen, der sich mit selbstständigen Aufstockern auskennt. Wenn Du einen gefunden hast, PKH Antrag ans SG und los geht's.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#11

Beitrag von glasser »

Koelsch hat geschrieben: Fr 2. Sep 2022, 21:16 Achte bitte peinlich genau auf die Einhaltung der Klagefrist. Und ich empfehle, Dir für die Klage einen Anwalt zu nehmen, der sich mit selbstständigen Aufstockern auskennt. Wenn Du einen gefunden hast, PKH Antrag ans SG und los geht's.
Es geht hier leider um einen vorläufigen Bescheid und der BWZ ist gestern abgelaufen. Daher bringt es wohl nichts mehr dagegen zu klagen, da der endgültige Bescheid wohl ergangen sein dürfte bevor eine gerichtliche Entscheidung zum vorläufigen Bescheid gefallen ist.
Ich muss wohl den endgültigen abwarten, dagegen erneut Widerspruch einlegen, abwarten und dann klagen..
Es sei denn ich kann dem JC direkt Entscheidungen mitteilen, die sie bei der Berechnung des endgültigen Bescheides eventuell doch noch berücksichtigen.
Oder kann man das Vorverfahren überspringen, wenn es beim vorläufigen Bescheid zur selben Rechtsfragen schon durchgeführt wurde?
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#12

Beitrag von Koelsch »

Wenn der BWZ abgelaufen ist, dürfte eine Klage sogar unzulässig sein.
Also wie Du schreibst, abschließenden Bescheid abwarten, Widerspruch und ggf. Klage. Keine Ahnung, ob es Sinn macht, jetzt dem JC schon "Widerspruchsargumente" zur Berücksichtigung zu liefern. Hängt vermutlich sehr vom jeweiligen SB ab, es gilt also: Versuch macht kluch. Die Argumente bleiben Dir ja für einen evtl. nötigen Widerspruch erhalten.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#13

Beitrag von Deadpool »

Das LSG Baden-Württemberg sieht Einkommensteuernachzahlungen aus vergangenen Zeiträumen weder als Absetzung noch als Betriebsausgabe:

https://openjur.de/u/2352870.html
Hiervon ausgehend findet im Rahmen des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II eine Absetzung von auf das Einkommen entrichteten Steuern statt. Allerdings entspricht es allgemeiner Meinung, dass nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nur solche zu entrichtenden Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum abgesetzt werden können, die sich auch auf das im Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen beziehen. Nicht unter die Vorschrift fallen Steuernachforderungen für zurückliegende Zeiträume, denn diese werden nicht auf das aktuelle Einkommen entrichtet (LSGBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2018 - L 31 AS 402/18 NZB – juris). Solche Nachzahlungen stehen Schulden gleich, deren Tilgung nicht die Hilfebedürftigkeit zu begründen vermag (Söhngen in juris-PK-SGB II, 5. Auflage, Stand 26.06.2020, § 11b Rn. 19 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist mit der Privilegierung Selbstständiger bei der Geltendmachung von (sonstigen) Schuldtilgungen als Betriebsausgaben nicht gesagt, dass diese Absetzungsmöglichkeit auch für Nachzahlungsverpflichtungen auf die Einkommensteuer zu gelten hat. Dies umso mehr, als § 3 Abs. 2 Alg II-V– wie ausgeführt – die Absetzbeträge nach § 11b SGB II ausdrücklich von seinem Regelungsbereich ausnimmt. Der Wortlaut der Norm gibt auch keinen Raum für eine differenzierende Auslegung dahingehend, Einkommensteuerschulden für vergangene Zeiträume als Betriebsausgaben, die Zahlungsverpflichtung von Einkommensteuer auf laufendes Einkommen aber (erst) im Rahmen von § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II und begrenzt durch den ungedeckten Bedarf in diesem Monat zu berücksichtigen. Eine Absetzung auch von Einkommensteuerschulden beim Selbstständigen als Betriebsausgaben würde zudem nicht nur eine (weitere) Privilegierung gegenüber nichtselbständig Erwerbstätigen bedeuten, sondern auch dazu führen, dass der Steuerstaat als Gläubiger weitere Beträge erhält, der Staat jedoch zugleich auch weitere SGB II-Leistungen in der jeweiligen Höhe leisten müsste (s. auch Merold, Sozialrecht aktuell 2016, 85, 88).
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#14

Beitrag von Koelsch »

Aus unerfindlichen Gründen funzt der Link zum LSG Urteil nicht. Hast Du vielleicht noch das Aktenzeichen?
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#15

Beitrag von Koelsch »

Aber nur mal so:
Das LSG vertritt also folgende Ansicht: (theoretisches Beispiel)

BWZ sei 1.1. bis 30.6. und 1.7. bis 31.12.20
Steuererklärung wird im Oktober 21 abgegeben, Steuerbescheid kommt 30.12.21, Fälligkeit Januar 22.
Und jetzt meint LSG BaWü, Steuer kann nicht berücksichtigt werden, da Einkommen ja in 2020 erzielt wurde und da dann auch die Steuerschuld entstanden ist. Halte ich für falsch.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#16

Beitrag von Günter »

Bei mir linkt der Funz. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2020 - L 9 AS 785/20
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#17

Beitrag von Koelsch »

Danke, schau ich mir morgen mal an. Schalte jetzt in den Feierabendmodus.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#18

Beitrag von Koelsch »

Jetzt funzt der Link bei mir auch. Wunder der Technik halt.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#19

Beitrag von Deadpool »

Halte ich für falsch.
Nein. Das LSG führt auch sehr ausführlich aus, wieso. Nicht nur in dem von mir Zitierten. Die Gesetzesnorm des § 11b bezieht sich nunmal auf Steuern, die auf das in dem betreffenden Monat erzielten Einkommen anfallen. Und nicht auf Steuern aus Zeiträumen davor. Anderenfalls müsste das Jobcenter bei jedem erwerbstätigen Aufstocker eine eventuelle Einkommensteuernachzahlung berücksichtigen, egal, ob selbständig oder unselbständig erwerbstätig. Was anderes gilt natürlich für Umsatzsteuer. Aber eben nicht für Einkommenssteuer.

Wenn man nach "Steuererstattung SGB II Nomos" googelt, findet man einen Aufsatz der juristischen Fachzeitschrift "Sozialrecht aktuell", da wird von allen Seiten durchleuchtet, wieso das Schulden sind, die nicht berücksichtigt werden (ich weiß leider nicht, wie man PDFs verlinkt).

Ansonsten kann man auch anhand dieser Petition
https://www.openpetition.de/petition/on ... hzahlungen erkennen, dass es keine Berücksichtigung gibt. Denn ansonsten wäre die Petition nicht notwendig gewesen.

Und als Schriftsteller könnte der TE tatsächlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen:
Selbstständige Künstler und Publizisten sind in der Künstlersozialversicherung versicherungspflichtig, wenn

ihre entsprechende Tätigkeit die Haupteinnahmequelle darstellt,

sie mindestens 3.900 Euro im Jahr verdienen und

höchstens einen Arbeitnehmer beschäftigen.

Als Künstler gelten alle Personen, die Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffen, ausüben oder lehren. Zu den Publizisten gehören vor allem Schriftsteller und freie Journalisten sowie Dozenten für Publizistik.
https://www.ihre-vorsorge.de/rente/gese ... ndige.html

Der TE müsste daher erstmal mitteilen, ob er nun zum rentenversicherungspflichtigen Teil der Selbständigen gehört oder nicht.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#20

Beitrag von Olivia »

Deadpool hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 03:42
Halte ich für falsch.
Nein.
Doch. Eine Anrechnung würde das Zu- und Abflussprinzip unterhöhlen und ausser Kraft setzen. Bei Selbständigen findet nämlich im Gegensatz zu Angestellten keine monatliche Abrechnung von Steuern auf das Einkommen statt, sondern wegen des schwankenden Einkommens oft nur eine jährliche Zahlung. Auch die Höhe der Einkommensteuer-Vorauszahlungen ist oft nicht zutreffend, da der Jahresgewinn stark schwanken kann.
Die Gesetzesnorm des § 11b bezieht sich nunmal auf Steuern, die auf das in dem betreffenden Monat erzielten Einkommen anfallen.
Noch einmal: bei Selbständigen findet gar keine monatliche Einkommensteuerberechnung statt. Viele zahlen nicht mal vierteljährliche Steuern, sondern werden von einer nachträglichen Jahreszahlung nach Erlass des Steuerbescheides "überrascht". Daher sind Selbständige schon mal grundsätzlich schlechter gestellt als Angestellte. Nur ein Beispiel: ein Selbständiger erzielt sein nicht bedarfsdeckendes Jahreseinkommen in einem einzigen Monat. Und darauf soll er dann Einkommensteuer zahlen, die im BWZ der Zahlung dazu führt, dass sein Existenzminimum deutlich unterschritten wird? (In dem Beispiel sei die BG-Grösse und die Konstellation so, dass der Grundfreibetrag nicht dazu führt, dass keine Einkommensteuer fällig wird.)
Und nicht auf Steuern aus Zeiträumen davor.
Der Lebensunterhalt nach dem SGB II ist zu dem Zeitpunkt sicherzustellen, wenn der Bedarf auftritt. Eine fällige Steuerzahlung kann bei einem Hilfebedürftigen nicht aus dem Regelsatz gezahlt werden! Fällige Steuerzahlungen sind schon von der Definition her keine Steuerschulden.
Anderenfalls müsste das Jobcenter bei jedem erwerbstätigen Aufstocker eine eventuelle Einkommensteuernachzahlung berücksichtigen, egal, ob selbständig oder unselbständig erwerbstätig.
Ja, so ist das Bedarfsdeckungsprinzip definiert. Da das Finanzamt oft lange braucht, ehe es Bescheide erlässt, hat der Bedürftige auch gar keinen Einfluss darauf, wann ein Bescheid kommt. Wenn nun eine Steuerforderung während der Bedürftigkeit eintrifft, dann ist das eben so. Soll die fällige Einkommensteuer dann etwa vom Regelsatz bezahlt werden? Das wäre absurd.
Wenn man nach "Steuererstattung SGB II Nomos" googelt, findet man einen Aufsatz der juristischen Fachzeitschrift "Sozialrecht aktuell", da wird von allen Seiten durchleuchtet, wieso das Schulden sind, die nicht berücksichtigt werden.
Steuerschulden sind überfällige und angemahnte Steuerzahlungen, die seit langem verschleppt werden, Verzugszinsen beim Finanzamt ausgelöst haben und die der Zoll eintreiben könnte. Steuerschulden können doch nicht in einen Topf geworfen werden mit einer fälligen Steuerzahlung. Eine Steuerzahlung wird dann fällig, wenn das Finanzamt einen Steuerbescheid erlässt und vom Konto abbucht bzw. an das Finanzamt überwiesen wird.
Ansonsten kann man auch anhand dieser Petition
https://www.openpetition.de/petition/on ... hzahlungen erkennen, dass es keine Berücksichtigung gibt. Denn ansonsten wäre die Petition nicht notwendig gewesen.
Da hat eine Einzelperson vergessen, Widerspruch gegen einen falschen Bescheid einzulegen. Eine Petition ist jedoch das falsche Mittel, gegen einen unzutreffenden Bescheid vorzugehen. Dass eine einzelne Petition bei einem Privatanbieter im Internet steht, sagt nichts aus über die Rechtslage der Anrechenbarkeit von fälligen Steuerzahlungen.
Und als Schriftsteller könnte der TE tatsächlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen:

[...]

Der TE müsste daher erstmal mitteilen, ob er nun zum rentenversicherungspflichtigen Teil der Selbständigen gehört oder nicht.
Wenn der TE dem Jobcenter einen Bescheid der DRV über das Nichtbestehen der Rentenversicherungspflicht vorgelegt hat, braucht er dem Jobcenter doch nicht erneut beweisen, dass er nicht rentenversicherungspflichtig ist.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#21

Beitrag von Deadpool »

Der Lebensunterhalt nach dem SGB II ist zu dem Zeitpunkt sicherzustellen, wenn der Bedarf auftritt. Eine fällige Steuerzahlung kann bei einem Hilfebedürftigen nicht aus dem Regelsatz gezahlt werden! Fällige Steuerzahlungen sind schon von der Definition her keine Steuerschulden.
Genau das hat aber nunmal das LSG mit immerhin 3 Berufsrichtern entschieden. Und auch die Kommentarliteratur, also z. B. der benannte Aufsatz besagt nichts anderes.

Auch stellt die Deckung des Lebensunterhalts nicht immer auf die Fälligkeit von Forderungen ab. Man erinnere sich dabei nur an die Entscheidung des BSG vom 23.08.2011 - B 14 AS 165/10 R, wonach zugeflossenes Geld trotzdem Einkommen ist, selbst, wenn es später zurück gefordert wird. Da interessiert es auch niemanden, wie der Leistungsempfänger dieses Geld zurück zahlen kann, obwohl es ihm angerechnet wurde und er deshalb weniger ALG2 bekommen hat.

Auch das LSG Berlin-Brandenburg sieht es nicht anders:
Die Frage, ob eine Einkommensteuernachzahlung nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden kann, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort auf diese Frage ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz und der hierzu vorliegenden Kommentarliteratur, die bereits das Sozialgericht zitiert hat. Es ist danach einhellige Meinung, dass nach § 11 b Abs. 1 Nr. 1 SGB II nur solche zu entrichtenden Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum abgesetzt werden können, die sich auch auf dieses im Bewilligungszeitraum berücksichtigte Einkommen beziehen. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Denn es geht vorliegend um eine für das Jahr 2013 mit Bescheid vom 23. Juni 2015 festgesetzte Einkommensteuer, die ganz offensichtlich nicht das erzielte Einkommen in der Zeit von September 2015 bis Februar 2016 betrifft.
https://openjur.de/u/2251725.html

Dem TE steht es natürlich frei, das selbst gerichtlich prüfen zu lassen. Allerdings sollte er auch wissen, dass die Rechtsansicht des Jobcenters durchaus in der Rechtsprechung und Literatur Bestätigung findet.
Wenn der TE dem Jobcenter einen Bescheid der DRV über das Nichtbestehen der Rentenversicherungspflicht vorgelegt hat, braucht er dem Jobcenter doch nicht erneut beweisen, dass er nicht rentenversicherungspflichtig ist.
Hat er denn dem Jobcenter solch einen Bescheid vorgelegt? Das war doch meine Frage.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#22

Beitrag von Koelsch »

Das Urteil des LSG BaWü ist ein leuchtendes Beispiel, um zu zeigen, warum aufstockende Selbstständige "die Lieblinge" der JC Mitarbeiter, der Rechtsanwälte und auch der Richter am SG sind.
Ich versuche mal das Urteil (das ich inzwischen auch für korrekt halte) zu entjuristifizieren, nutze dazu mal wieder ein theoretisches Beispiel, das sich aber (hoffentlich) ausreichend am LSG Fall orientiert:

BWZ in dem das Einkommen erzielt wurde - März bis August 2018
Steuerbescheid über € 1.400,00 ergeht im Juli, fällig 30.8.2018
zusätzlich ergeht Bescheid über ESt.-Vorauszahlung in Höhe von € 500,00/Monat ab September

eLB macht im folgenden BWZ ab September 2018 einen durchschnittlichen Monatsgewinn von € 900,00
JC, SG und LSG rechnen nun wie folgt:
  • September
    900,00 € Gewinn minus € 1.400,00 Steuernachzahlung minus 500,00 € Steuervorauszahlung = 0,00 € anrechenbares Einkommen
  • Oktober und folgende
    900,00 € Gewinn minus 500,00 € ESt.-Vorauszahlung = 400,00 € anrechenbares Einkommen
  • Der in September entstandene Verlust in Höhe von € 1.000 bleibt unberücksichtigt, da ja lediglich der betriebliche Gewinn gemittelt wird, die ESt. aber eben nicht als Betriebsausgabe gilt.
    Dagegen hat sich eLB gewehrt - vergeblich und m.E. ist das leider korrekt.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#23

Beitrag von Olivia »

Steuerbescheid über € 1.400,00 ergeht im Juli, fällig 30.8.2018
Dann bezieht sich der Bescheid zwangsläufig auf 2017, 2016 oder noch eher. Es ist nicht möglich, dass ein Einkommensteuerbescheid für das laufende Jahr ergeht, in dem Beispiel 2018.
Koelsch hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 09:55 eLB macht im folgenden BWZ ab September 2018 einen durchschnittlichen Monatsgewinn von € 900,00
JC, SG und LSG rechnen nun wie folgt:
  • September
    900,00 € Gewinn minus € 1.400,00 Steuernachzahlung minus 500,00 € Steuervorauszahlung = 0,00 € anrechenbares Einkommen
Eben genau das doch nicht. Wenn 2018 ein ESt-Bescheid ergeht, dann bezieht sich dieser zwingend auf das Jahr 2017 oder eines der noch davor liegenden Jahre.

Meiner Meinung nach geht es darum, dass das Jobcenter generell keine Einkommensteuer-Nachzahlungen anerkennen will, die sich nicht auf den aktuell laufenden BWZ beziehen. Da sich aber Einkommensteuerbescheide immer, d.h. generell auf das Vorjahr oder Vor-Vorjahr beziehen, ist dies systemisch gar nicht möglich.

Oder habe ich das falsch verstanden?
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#24

Beitrag von Koelsch »

Das LSG hat ähnlich meinem Beispiel entschieden. Der Knackpunkt war, ESt. ist keine Betriebsausgabe, wird also nicht gemittelt sondern im Zahlmonat angerechnet.
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Re: Herabsetzungen nach 11b Abs. 1 SGBII nicht für Vorjahreszahlungen?

#25

Beitrag von glasser »

Also ich habe keinen Nachweis über eine Befreiung der Rentenversicherungspflicht, zahle aber nicht in die Rentenkasse erwerbe somit auch keinen Anspruch, stattdessen zahle ich in eine private Lebensversicherung die später als Rente auszahlbar ist. Naja kann sein das es nicht geht, dann müsste ich aber doch zumindest die 30€ Versicherungspauschale dafür bekommen oder?

Die EKST-Vorauszahlungen haben sie anerkannt, der Ek-steuerbescheid für die Nachzahlung ging mir im BZW zu und die Zahlung der Steuer war auch im BZW fällig, genauso verhält es sich mit den Krankenkassennachzahlungen für 2020, da wurde der Endgültige Bescheid erst nach Vorlage des Steuerbescheids erlassen und ich musste im BWZ für 2020 Beiträge nachzahlen. Hier haben sie das selbe Argument, es bezieht sich nicht auf aktuelles Einkommen.

Im Widerspruch hatte ich ihnen bezüglich steuern ihre eigene Arbeitshilfe zur Ermittlung von Einkommen selbständiger zugeschickt
https://www.harald-thome.de/files/pdf/m ... 014-12.pdf hier Seite 49 Nr. 1 und das Beispiel auf Seite 51 dazu wo die Lebensversicherung ebenfalls abgezogen wird..
Das haben sie aber ignoriert und auf das Urteil aus 2004 verwiesen.

Bezüglich des Beispiels von @Koelsch
Mit einer Anrechnung bis zur Höhe einem durchschnittlichen Monatsgewinns wäre ich einverstandenen, mehr hatte ich im Widerspruch auch nicht gefordert.


Aber ich weiß nicht, nach deren Logik könnte ich ja das Finanzamt im BZW anschreiben und darum bitten ab jetzt Vorauszahlungen in Höhe des gesamten Gewinns zu bezahlen und hätte dann keinen Gewinn und müsste auch nichts nachzahlen sondern bekäme mit der Steuererklärung noch was wieder. Muss ich aber nun wie hier tatsächlich Steuern zahlen, werden diese nicht anerkannt.
Zuletzt geändert von glasser am Sa 3. Sep 2022, 12:02, insgesamt 6-mal geändert.
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