Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

Hilfe bei der Antragstellung und dem ALG II Bescheid
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mregine
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Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#1

Beitrag von mregine »

Hallo!

Meine Internet-Recherche zu Brillen bei Hartz IV ergibt leider sehr widersprüchlich Ergebnisse :-( Hier auf dem Forum habe ich einen Verweis auf dieser Seite gefunden: https://www.gegen-hartz.de/news/hartz-i ... nktioniert

Auf der anderen Seite habe ich auch gefunden: https://www.gegen-hartz.de/urteile/glei ... arf-144456

Stimmt es, dass es Zuschüsse ab 6 Dioptrien und wo kann ich das nachlesen? Was bedeutet es für uns, dass "Frau von der Leyen (CDU) [...] bei der Festsetzung der SGB II-Regelbedarfe Brillen aus den Regelsätzen gestrichen [hat]"? Müssen die Kosten aus dem Regelsatz angespart werden, oder muss man einen Antrag zur Übernahme der Kosten stellen?

Ich brauche seit ca. einem Jahr eine Gleitsichtbrille. In den letzten Jahren habe ich meine Brillen selbst gezahlt, aber es waren noch keine Gleitsichtbrillen. Das geht jetzt nicht mehr.

Das JC weigert sich, wie üblich, irgendwas zu übernehmen. Die Leistungsabteilung hat komplett abgelehnt und an den Fallmanager weitergeleitet, der auf die Krankenkasse verwiesen hat. Schriftlich haben wir weder von der Leistungsabteilung noch vom Fallmanager etwas.

Ich bin bereits seit meiner Jugend stark kurzsichtig, beide Augen mittlerweile >6 Dioptrien. Daher wird sich die Krankenkasse mit einer recht hohen Pauschale an die Kosten für die Gläser beteiligen.

Aber ich kann nicht mit den Gläsern allein herumlaufen, und die Pauschale deckt sowieso nicht den vollen Preis. Optiker mögen heutzutage nicht mehr neue Gläser in ein altes Gestell einbauen, und auch nichts mehr reparieren. Fielmann hat bekanntlich 1-Euro-Fassungen, aber ... ok, ich bin eitel. Und ohne Federung würde das Teil vermutlich sehr schnell kaputtgehen.

Wir haben vor einer Weile drei Kostenvoranschläge geholt. Aber keiner davon war für ein 1-Euro Gestell. Und was ist, wenn ich von den drei Kostenvoranschlägen doch eine bestimmte Brille gern hätte, und bereit wäre, die Mehrkosten (80 Euro teurer als das günstigste Modell) zu tragen?

Gestern ist mir meine aktuelle Brille kaputtgegangen. Ich trage meine Ersatzbrille (die, die ich davor hatte, bis meine Augen sich mal wieder verschlechtert haben). Ich muss also handeln.

Zusatz-Info: Ich war früher im IT-Bereich und nehme jetzt an einem Projekt teil, das vom JC gefördert ist, und in dem es um IT geht. Ich sitze also am Bildschirm. Und es ist schon mal vorgekommen, dass ich den Inhalt eines Buchs, das ich im Projekt durcharbeiten sollte, nicht mehr lesen konnte.

Wie gehe ich am besten damit um?

Und: Warum rät ihr in manchen Posts, keine §§ zu nennen, wenn man das JC anschreibt?

Ich wäre sehr dankbar, wenn ihr ein paar Ratschläge für mich hättet.
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Koelsch
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#2

Beitrag von Koelsch »

6 Dioptrien ist mir nicht bekannt. Argumentier so wie in dem ersten Deiner Links. Keine §§ heisst, Du solltest keine "juristischen Abhandlungen" verfassen, aber Du kannst durchaus schreiben: "Wie m.E. in § xx geregelt" oder ähnlich lapidar. Bei "Abhandlungen" besteht die Gefahr, dass ein späterer PKH Antrag abgelehnt wird, weil Du ausreichende Rechtskenntnisse hast.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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marsupilami
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#3

Beitrag von marsupilami »

Es kommt auf die Argumentation an.
Ja, im Prinzip muss man/vrau selbst Brille ansparen, aber ....

Zuerst ein Attest vom Augenarzt besorgen, das die entsprechende Dioptrienzahl bestätigt.

Dann gehe ich im Moment davon aus, dass Du bisher alle Versuche um Geld für die Brille nur mündlich begründet hast.

Ich würde daher 2 schriftlichen Anträge stellen - also auf Papier und so (heißt nachweislich an JC übersandt - Fax mit qualifiziertem Sendebericht, Einwurf-Einschreiben, persönlich abgegeben mit Eingangsbestätigung auf Deiner Kopie)
1) kurzfristig dringend Zuschuss für die Reparatur der aktuellen Brille, um überhaupt weiter an dem Projekt teilnehmen zu können.
Brillen-Reparatur ist Sonderbedarf, da ein solcher nach Deinen Recherchen a) nicht in der Ermittlung des Regelbedarfs abgedeckt ist und b) die Rechtsprechung dazu inzwischen eindeutige Urteile gefällt hat.
c) Dir - latürnich - sehr viel an dem erfolgreichen Abschluss dieses Projektes gelegen ist, um endlich wieder in Arbeit zu kommen.

2.) "Zuschuss für die Beschaffung einer Gleitsichtbrille"
a) Dioptrien
b) ist nach Abschluss des von Ihrem Hause geförderten Projektes die Integration in den Arbeitsmarkt gefährdet, da Du beim AG bzw. Kunden jederzeit alles sehen, lesen, .... können musst um Arbeitsaufträge ordnungsgemäß abarbeiten zu können.
Somit ist die Brille zwingend für die Integration in den Arbeitsmarkt erforderlich.
c) die "alte", reparierte Brille immer als Ersatz mitgeführt werden muss.
d) obere Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit und nach Deiner Lesart auch das Bundesverfassungsgericht entsprechende Urteile gefällt haben.
e) außerdem gehört Brille zum menschenwürdigen Dasein, Print- und E-Medien zu Lokal-, Bundes- und Weltpolitik, um Angebote des (Lebensmittel-)Einzelhandels lesen zu können, sms und Whats-App und ähnliches - kurz social media, ....

So ungefähr.
Arbeite da mal was in Deinem Stil aus, wir schauen gerne drüber und schmieren unseren Senf dazu, wenn Du das möchtest.

Für Dich zum Nachlesen:
https://tacheles-sozialhilfe.de/newstic ... -2019.html
Punkt 3

und gleich das entsprechen Urteil des BVerfG
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 01012.html


Ach ja, die beiden Anträge doch in zeitlichem Abstand losschicken.


Nachtrag:
https://harald-thome.de/files/pdf/redak ... 147-17.pdf

https://harald-thome.de/files/pdf/redak ... cheid_.pdf
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Olivia
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#4

Beitrag von Olivia »

Hervorragend ausgearbeitet von Marsu! :bravo:

Ganz wichtig das "Brillenrezept" vom Augenarzt. Und die Reihenfolge für den Antragsablauf zur Gleitsichtbrille, d.h. zuerst zum Augenarzt, dann eine Kopie des Brillenrezeptes zusammen mit dem Antrag auf Kostenübernahme an das Jobcenter (alle gesundheitlichen Daten ausser Adresse und Dioptrienzahl können und sollten geschwärzt werden). Die Gleitsichtbrille nicht vor einer Kostenzusage durch das Jobcenter kaufen, sondern deren Kostenübernahmebestätigung abwarten.

Die Gleitsichtbrille ist meiner Meinung nach eine Leistung aus dem Vermittlungsbudget. Die Reparaturkosten müssten sofort übernommen werden, d.h. innerhalb weniger Tage. Für die Ersatz-Gleitsichtbrille müsste nach spätestens drei bis vier Wochen die Kostenübernahmebestätigung des JC da sein.

Die Mehrkosten von 80 € für das Wunschmodell sehe ich unkritisch, das kann einfach beim Optiker zugezahlt werden und braucht dem Jobcenter nicht mitgeteilt zu werden (bzw. ist Privatsache, wenn ein Kostenverwendungsnachweis von dort eingefordert werden sollte).

Sollte das Jobcenter statt einem Filialoptiker auf einen Internet-Optiker verweisen, empfehle ich die Lektüre v.a. der Ein-Sterne-Bewertungen zu folgendem Anbieter: https://www.deutscheoptiker.de/brillen- ... fahrungen/
Mit entsprechender Reaktion an das JC!
mregine
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#5

Beitrag von mregine »

Vielen Dank an alle! Die Vorschläge sind sehr, sehr hilfreich :-)

Brillenrezept habe ich bereits, brauche ich ja, damit die Krankenkasse zu den Gläsern ihr Teil beiträgt.

Was sagt ihr zu den ein-Euro-Fassungen von Fielmann und den Ansatz mit den drei Kostenvoranschlägen? Keiner von meinen drei Kostenvorschlägen war für eine ein-Euro-Fassung, die sind nämlich weder schön noch angenehm zu tragen, und gehen vermutlich ratzfatz kaputt (haben keine Federung). Aber... darf ich das? Ist das nicht zu einfach dann?

Ich werde die Tage die Anträge schreiben, aber meines Wissens muss ich doch eine Kostenschätzung ermöglichen, damit der Antrag geprüft werden kann, oder?
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Koelsch
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#6

Beitrag von Koelsch »

Keine Ahnung was die Billigfassungen taugen. Aber Du musst Dich nicht an die Voranschläge halten. Die sagen nur, wie viel JC übernimmt
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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marsupilami
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#7

Beitrag von marsupilami »

Nicht nur Fielmann hat diese Billig-Brillengestelle.
Frag auch mal bei anderen Optikern nach.
Die Billig-Gestelle mögen dort möglicherweise das 10-fache - also 10, 20 oder gar 30 € kosten, könnten dafür aber besser passen und sitzen.

Ich würde die Anträge - insbesondere den ersten - mal ohne Vergleiche bzw. Kostenvoranschläge schicken.
Beim ersten Antrag geht es ja darum, dass Du möglichst schnell an ein Gestell kommst, damit Du überhaupt Brille tragen kannst und was sehen/lesen kannst und an dem Projekt teilnehmen kannst.

Du könntest parallel zu den Anträge auch die Optiker bei Dir in der Nähe abklappern nach Reparatur mit Billig-Gestell und die evtl. Kosten dann dem JC melden.

Ich persönlich würde wahrscheinlich sogar dazu neigen:
  • Antrag auf Reparaturzuschuss stellen
  • Optiker abklappern: wer repariert zu welchen Kosten wie schnell
  • zuschlagen
  • Kosten an das JC melden
Wenn die dann rumzicken, mit der obigen Argumentation gegen den entsprechenden Bescheid vorgehen und auch mind. vor dem SG klagen.
Wenn das SG sich auf Seite des JC stellt, dann ist aufgrund der Urteilsbegründung zu überlegen: gehe ich in die nächste Instanz zum LSG.

Kommt letztendlich auf DEIN Nervenkostüm an, ob Du Dir das antun willst.
Auf der anderen Seite mit einer halb-lebigen Brille rumlaufen, nur mühsam an dem Projekt teilnehmen können - vor allem wenn Dir daran viel liegt.
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Olivia
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#8

Beitrag von Olivia »

Die eLB soll die Brillenfassung nehmen, welche ihr am besten gefällt. Der Optiker kann ja auf der Rechnung vermerken, dass es sich um ein preiswertes Modell aus dem unteren Warensegment handelt. Dann wäre das Jobcenter kostenübernahmepflichtig. Leistungsberechtigte können nicht zwangsläufig auf das allerbilligste Modell verwiesen werden, sondern eine einfache und zweckmässige Versorgung ist zulässig.

Der Vorgang ist zu untergliedern in zwei Teilabschnitte:
  • Reparatur der Bestandsbrille, um den aktuellen Kurs weiter fortführen zu können
  • Anschaffung einer neuen Gleitsichtbrille mit preiswertem Gestell, um dauerhaft am Arbeitsleben teilnehmen zu können
Für beide Vorgänge muss das Jobcenter die Kosten aus dem Vermittlungsbudget für eine einfache und zweckmässige Versorgung übernehmen.
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marsupilami
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#9

Beitrag von marsupilami »

Wenn der Optiker mitzieht - genau genommen wäre das u.U. als Betrug(-sversuch) zu werten.
Schlicht und einfach die Rechnung - ohne Vermerke.

Nicht so viel tricksen, sonst wird's kompliziert und geht womöglich .....ääääähhhhh ..... ungünstig aus für eLB.

Innerhalb der "Behörde" gibt es sicherlich etliche Brillenträger bei denen sich SB kundig machen kann, was so ein Brillengestell kostet.
Vielleicht ist er/sie ja selbst Brillenträger und weiß, wie schwierig das Leben sein kann ohne Sehhilfe.
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Olivia
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#10

Beitrag von Olivia »

marsupilami hat geschrieben: Do 16. Mär 2023, 11:33 Wenn der Optiker mitzieht - genau genommen wäre das u.U. als Betrug(-sversuch) zu werten.
So ein Quatsch, pardon. Das ist doch kein Betrugsversuch, sondern eine fachliche und kaufmännische Einschätzung vom Spezialisten. Der Optiker kann am besten einschätzen, wo sich ein Brillengestell in seinem Sortiment preislich befindet. Der Vermerk wäre eine Hilfe für die Kostenübernahme, mehr nicht.
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marsupilami
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Re: Gleitsichbrille als Hartz IV Empfänger

#11

Beitrag von marsupilami »

Buchführung?
EK, VK?
Rechnung ist nicht nur ein Dokument im Sinn des Rechts sondern u.U. auch Beweismittel.

JaJaJaJaJa, ich gestehe: ich hab mir was von Deiner schwarzen Farbe ..... äääähhhh ..... geliehen.
Leihweise.
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