BVerfG: 1 BvL 7/16 - Sanktionen im SGB II teilweise verfassungswidrig / Folgen für die Praxis

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Koelsch
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Re: BVerfG: 1 BvL 7/16 - Sanktionen im SGB II teilweise verfassungswidrig / Folgen für die Praxis

#1

Beitrag von Koelsch »

Dazu heute der Newsletter von Harald Thom?
Zum Sanktionsurteil des Bundesverfassungsgericht vom 5. Nov. 2019

Zun?chst erst einmal die absolut positive Seite: wir haben es geschafft, die absoluten H?rten des Sanktionsregimes au?er Kraft setzen zu k?nnen. Das ist erstmal ein Riesenerfolg!

Dazu war die Expertise, der Sachvortrag der Sanktionskritiker*innen und letztendlich auch die Onlineumfrage, deren Ergebnisse wir dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt haben ma?geblich.
Dadurch konnten wir die Folgen und Wirkungen der Sanktionen sehr umfassend und nachvollziehbar aufzeigen, einschlie?lich der tausendfachen R?ckmeldungen.

a. Dank
Dazu an dieser Stelle meinen herzlichen Dank an alle Menschen, die uns auf die ein oder andere Art und Weise bei der Arbeit als Sachverst?ndige f?rs Verfassungsgericht mitgestritten und unterst?tzt habt. Mit der Beteiligung an der Umfrage habt ihr uns ein Mandat gegeben und unseren Positionen Gewicht. So konnten wir eure Positionen und Erfahrungen mit in die Gerichtsverhandlung einbringen. Ohne euren Einsatz w?re das nicht m?glich gewesen.

b. Beratungsfolgen
Tacheles e.V. hat ein Beratungsinfoblatt zu den Beratungsfolgen, die sich aus dem Urteil des BVerfG zu den Sanktionen ergeben, heraus gegeben. Es wird hier genau dargestellt, f?r wen sich welche Folge aus dem Urteil ergibt und auch, ob r?ckwirkende Anspr?che bestehen. Hier verbreiten populistische Webseiten wie gegen-hartz.de leider falsche Informationen, denen wir mit klaren, pr?zisen und rechtlich zutreffenden Infos entgegen wirken wollen.

Hier geht es nun zum Beratungsinfoblatt: https://tacheles-sozialhilfe.de/fa/reda ... 1.2019.pdf

Bitte habt Verst?ndnis, dass Tacheles nicht in der Lage ist, jeden Einzelfall zu beraten, das m?ssen die ?rtlichen Beratungsstrukturen leisten. Dann bitten wir auch um etwas Geduld, es wird den Jobcentern nicht unverz?glich m?glich sein, 100 % Sanktionen sofort auf 30 % zu reduzieren.

Hinweis Fristsache: in diesen F?llen von nicht bestandskr?ftigen Sanktionsbescheiden sollte unverz?glich Widerspruch eingelegt werden, es reicht ein Widerspruch ohne Begr?ndung, denn dann wirkt sich die Begrenzung der Sanktionen auf drei?ig Prozent auch auf die Zeiten vor dem 5. Nov. 2019 zur?ck. Das d?rfte aber nur Menschen betroffen, die ab Okt. oder Nov. 2019 sanktioniert werden.
Alles andere entnehmt bitte dem Beratungsinfoblatt!

Dazu in den aktuelle Weisungen des BMAS zu den Sanktionen vom 06.11.2019: https://harald-thome.de/fa/redakteur/Ha ... 1.2019.pdf


c. Wie es weitergehen muss
?ffentlich wird gesagt, keine Sanktionen ?ber 30% f?r U - 25'er (Scheele im DLF 07.11.) in der Weisung der BA steht allerdings ganz klar, das BVerfG habe dar?ber nicht entschieden - was bedeutet, es muss nicht umgesetzt werden. Ggf. wird hier die erste gro?e Konfliktlinie verlaufen, n?mlich durch zu streiten dass Menschenw?rde nicht altersabh?ngig sein kann und die existenzvernichtenden Sanktionen selbstverst?ndlich auch bei U-25?ern aufzuh?ren haben.

Jetzt mal Klartext: es ist ein sofortiges SANKTIONSMORATORIUM durchzuf?hren.

Es sollte jede Sanktion bis auf weiteres ausgesetzt werden. Dann muss zus?tzlich gekl?rt werden, wie mit gek?rzten Unterkunftskosten und Sanktionen, wie mit der Daueraufrechnung nach ? 43 SGB II umgegangen wird.

Das Ziel: erstmal ein komplettes Aussetzen jeder SANKTION, einschlie?lich der AUFRECHNUNG nach ?? 42a, 43 SGB II und eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion unter Einbeziehung der Wohlfahrts- und Sozialverb?nde, die das Ziel hat, jetzt das SGB II so neu zu gestalten, dass das Existenzminimum unverf?gbar bleibt.

d. Wertung des BVerfG Urteils
Das Urteil des BVerfG ist aber nicht nur positiv, denn mit dem Urteil hat das BVerfG das Menschenw?rdeprinzip, also die unverf?gbare Existenzminimumsgarantie, nicht nur auf 70 % des Regelbedarfes zum Leben reduziert, sondern auch noch weiter ausgeh?hlt und verf?gbar gemacht. Ersetzt wurde e durch einen Arbeitszwang (Rn. 129 und 209 des Urteils).
So wird es auch deutlich vom CDU-Mann Peter Tauber (Parlamentarischer Staatssekret?r) gesehen:

Hier sind die Betroffenen, die Politik, die Sozial- und Wohlfahrtsverb?nde gefragt Druck zu machen und die Umsetzung der vielen guten Regelungen des Urteils einzufordern.

e. Infomaterialien

- Der neue Tacheles YouTube Infokanal, schl?gt auf mit einem Beitrag zum Urteil des BVerfG, der ist sehens- und h?renswert:

- Hervorragend sind die Materialien von Stefan Sell: http://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/1 ... ch-urteil/ und http://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/1 ... z4-system/ und http://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/1 ... es-bverfg/

- Heribert Prantl S?ddeutsche Zeitung bringt es wieder einmal auf den Punkt. Vorausschauend, tiefgr?ndig und unbestechlich demaskiert er die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht und das politische Debakel: https://www.sueddeutsche.de/politik/har ... -1.4673395?

- Ein Interview mit mir und meine Einsch?tzung zu Karlsruhe im Vorfeld des Urteils: https://www.neues-deutschland.de/artike ... s-war.html - Und noch ein Interview mit mir in der S?ddeutschen Zeitung vor dem Urteil: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hartz-iv ... -1.4667705 Und noch eine Zusammenfassung aus sehr kritischer Sicht im labournet.de: www.labournet.de/interventionen/grundre ... richt 
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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