BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

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Koelsch
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BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#1

Beitrag von Koelsch »

Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum hilfebedürftig waren.

Zwar sind neben dem Grundgehalt des Klägers als Fernfahrer die in dem streitigen Zeitraum in unterschiedlicher Höhe gezahlten "Spesen" als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei nicht um zweckbestimmte Einnahmen. Soweit der Kläger zu 2) allerdings tatsächliche notwendige Aufwendungen hatte, die mit der Erzielung eines Einkommens verbunden waren, sind diese von seinem Gesamteinkommen nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II in Abzug zu bringen. Insofern fehlt es jedoch an Feststellungen des LSG zu den mit der Fernfahrertätigkeit des Klägers zu 2) verbundenen Aufwendungen. Die Erforderlichkeit von Feststellungen hierzu entfällt - im Gegensatz zur Auffassung des LSG - auch nicht deshalb ab dem 1.1.2008, weil nach dem zu diesem Zeitpunkt eingeführten § 6 Abs 3 Alg II-V lediglich ein Pauschbetrag für Verpflegung iHv von 6 Euro täglich abzusetzen ist. Soweit diese Regelung die Berücksichtigung höherer tatsächlicher Verpflegungsmehraufwendungen bei mindestens 12-stündiger Abwesenheit ausschließt, überschreitet sie den Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 13 Nr 3 SGB II. Es mangelt an einer "Öffnungsklausel". Da andererseits dem Begriff der Notwendigkeit inne wohnt, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se nicht notwendige Aufwendungen nicht durch den Steuerzahler zu finanzieren sein sollen, sind § 6 BRKG iVm § 4 Abs 5 EStG zur Begrenzung der zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen heranzuziehen. Die dortigen Werte bilden die Obergrenze für nachgewiesene höhere Verpflegungsaufwendungen. Notwendige Aufwendungen anderer Art - Übernachtungs- oder sonstige Reisenebenkosten - können darüber hinaus nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II - soweit sie nachgewiesen worden sind - ggf vom Einkommen abgesetzt werden.

SG Leipzig - S 23 AS 310/08 -
Sächsisches LSG - L 3 AS 820/10 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 27/12 R
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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tigerlaw
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Re: BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#2

Beitrag von tigerlaw »

Nun ja - H-4-Empfänder haben ja ansonsten genügend Zeit, alle Belege sauber aufzufädeln und dann zur Anrechnung anzumelden ...

Andererseits: Damit kann die 6-€-Grenze individuell gekippt werden!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Günter
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Re: BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#3

Beitrag von Günter »

Notwendige Aufwendungen anderer Art - Übernachtungs- oder sonstige Reisenebenkosten - können darüber hinaus nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II - soweit sie nachgewiesen worden sind - ggf vom Einkommen abgesetzt werden.
Da ja an den Klotüren und Duschräumen für Fernfahrer kein Quittungsdrucker steht, hilft dann vermutlich nur noch das Handyfoto als Beweis.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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tigerlaw
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Re: BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#4

Beitrag von tigerlaw »

Günter hat geschrieben:...

Da ja an den Klotüren und Duschräumen für Fernfahrer kein Quittungsdrucker steht, hilft dann vermutlich nur noch das Handyfoto als Beweis.
... oder eine eidesstattliche Versicherung :unschuld:
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Günter
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Re: BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#5

Beitrag von Günter »

Und da stellt sich dann die nächste Frage.

Auf den Antragsformularen der BA steht bei der Unterschrift
.... Sollten Sie falsche bzw. unvollständige Angaben machen oder Änderungen nicht oder nicht unverzüglich mitteilen, müssen Sie und die Mitglieder Ihrer Bedarfsgemeinschaft mit der Erstattung der zu viel gezahlten Leistungen rechnen. Weiterhin setzen Sie sich auch der Gefahr eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens aus. Beachten Sie bitte, dass das Jobcenter im Wege des automatisierten Datenabgleichs Auskünfte bei Dritten, z. B. über Beschäftigungszeiten, Kapitalerträge, Leistungen der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, Leistungen der Arbeitsförde-rung, einholt und verwertet. Bitte stellen Sie deshalb sicher, dass die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft über die Mitwirkungs-pflichten informiert sind und dass diese alle notwendigen Informationen erhalten.

......

Ich versichere, dass die Angaben zutreffend sind.
Mit dieser Versicherung sollte doch bereits alles abgedeckt sein. Ich bin über die Strafbarkeit falscher Angaben belehrt und versichere die Angaben sind zutreffend. wozu dann eigentlich noch Belege?
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Günter
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Re: BSG - B 4 AS 27/12 R - Spesen sind Einkommen

#6

Beitrag von Günter »

Die Diskussion geht hier viewtopic.php?f=21&t=10541 weiter.
Zuletzt geändert von Wampe am Do 9. Jul 2020, 22:06, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Link aktualisiert.
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Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Koelsch
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BSG - B 4 AS 27/12 R - Verpflegungsmehraufwand bei Ortsabwesenheit

#7

Beitrag von Koelsch »

Tatsächliche und notwendige nachgewiesene Verpflegungsmehraufwendungen können vom Einkommen eines SGB 2-Aufstockers bis zu den Sätzen des Bundesreisekostengesetzes (juris: BRKG 2005) abgesetzt werden, weil die in der Alg II-Verordnung (idF ab 1.1.2008 - juris: AlgIIV 2008) vorgesehene ausnahmslose Beschränkung auf einen Pauschbetrag in Höhe von 6 Euro täglich bei einer Abwesenheitsdauer von mindestens zwölf Stunden nur mit einer Öffnungsklausel ermächtigungskonform ist.

Urteil: https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/466083/
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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