BFH IIIR66/18 Ausschlussfrist rückwirkende Gewährung von Kindergeld

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kleinchaos
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BFH IIIR66/18 Ausschlussfrist rückwirkende Gewährung von Kindergeld

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Beitrag von kleinchaos »

Urteil vom 19. Februar 2020, III R 66/18
Kindergeld; Zuordnung der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG zum Festsetzungsverfahren

ECLI:DE:BFH:2020:U.190220.IIIR66.18.0

BFH III. Senat

EStG § 66 Abs 3 , AO § 218 Abs 1 , AO § 218 Abs 2 , FGO § 40 Abs 1 Alt 1 , EStG VZ 2015 , EStG VZ 2016 , EStG VZ 2017

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 25. Oktober 2018, Az: 10 K 141/18

Leitsätze
1. Die durch das StUmgBG vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) eingeführte und für nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 eingegangene Kindergeldanträge geltende Ausschlussfrist ist dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen.

2. Die Familienkasse darf im Erhebungsverfahren die Auszahlung vorbehaltslos festgesetzten Kindergeldes nicht unter Berufung auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG beschränken.

3. Setzt die Familienkasse das Kindergeld trotz Eingreifens der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG rückwirkend für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, bestandskräftig fest, ist sie an diese Festsetzung auch im Erhebungsverfahren gebunden.

Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.10.2018 - 10 K 141/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand
I.
Streitig ist die Auszahlung von Kindergeld für den Zeitraum August 2015 bis September 2017.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte am 20.04.2015 Kindergeld für seine im Februar 1997 geborene Tochter (L). Er gab an, dass L im Juli 2015 eine Ausbildung abschließen und ab September 2015 eine dreijährige Ausbildung zur Erzieherin beginnen werde.

Mit Bescheid vom 03.06.2015 setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) ab März 2015 Kindergeld fest. Mit Bescheid vom 02.07.2015 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab August 2015 auf, da trotz Aufforderung nicht nachgewiesen worden sei, dass sich das Kind weiterhin in Ausbildung befinde.

Mit Antrag vom 07.10.2017, der erst am 03.04.2018 bei der Familienkasse eingegangen war, begehrte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum August 2015 bis August 2019. Mit Bescheid vom 09.04.2018 setzte die Familienkasse Kindergeld ab dem Monat August 2015 mit dem Zusatz "laufend" fest. Unter der Überschrift "Nachzahlung" beschränkte es die Nachzahlung auf den Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der gesetzlichen Änderung nach § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen.

Mit Schreiben vom 16.04.2018, welches die Familienkasse als Einspruch wertete, begehrte der Kläger die vollständige Auszahlung des Kindergeldes, da er aufgrund einer Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Er legte Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass bei ihm eine depressive Störung oder Angststörung sowie ein Burnout-Syndrom vorlägen, nachdem er im April 2016 einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Nach § 66 Abs. 3 EStG könnten Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingingen, nur noch zur Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen. Folglich bestünde, da der Antrag erst am 03.04.2018 bei der Familienkasse eingegangen sei, ein Zahlungsanspruch erst ab Oktober 2017.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt und änderte den Bescheid vom 09.04.2018 im Abrechnungsteil dahingehend ab, dass das für die Monate August 2015 bis September 2017 festgesetzte Kindergeld für L an den Kläger auszuzahlen ist.

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
Weiter hier: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entsc ... 202010143/
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